12 Minuten Lesezeit 28 November 2023
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Studie 2022/2023: „Rechtsabteilungen werden künftig anders denken und arbeiten“

Autoren
Felix Rackwitz, MBA

Partner | Head of Integrated Legal Solutions | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Felix Rackwitz ist Rechtsanwalt bei EY Law und leitet den Bereich Integrated Legal Solutions.

Tamay Schimang

Director | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Tamay Schimang ist Rechtsanwalt bei EY Law und im Bereich Legal Operations, Legal Function Consulting und Integrated Business Solutions tätig.

12 Minuten Lesezeit 28 November 2023
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Von den Rechtsabteilungen der Unternehmen wird ein höherer Wertbeitrag erwartet. Damit steigt die Bedeutung der Legal Operations in den Unternehmen. Was die führenden Rechtsabteilungen anders machen, erfahren Sie jetzt in der aktuellen gemeinsamen Studie von BUJ und EY Law.

Überblick

  • Das Arbeiten in Silos ist passé. Eine erfolgreiche wertschöpfende Zusammenarbeit der Rechtsabteilung mit dem Business bzw. den Geschäftsbereichen wird immer wichtiger.
  • Legal Technology gewinnt an Bedeutung, auch wenn die eingesetzte Software ein hohes Optimierungspotential aufweist.
  • Von der Rechtsabteilung wird ein aktives integratives Risikomanagement mit anderen Abteilungen des Unternehmens erwartet.
  • Eine hohe Kongruenz von extern vorgegeben Kennzahlen (Zielvorgaben) und eigener Steuerung zeichnet die Spitzenreiter aus.

Die Erwartungen der Unternehmen an ihre Rechtsabteilungen steigen weiter. Statt der isolierten Beantwortung rein rechtlicher Fragen fordert die Arbeitswelt heute eine stärkere Interaktion mit anderen Geschäftsbereichen und eine aktivere Rolle im Hinblick auf den Erfolg des Unternehmens. Das Arbeiten in Silos ist passé.

Dazu kommen mehr Effizienz, mehr Unterstützung bei unternehmerischen Entscheidungen, ein aktiveres Management der Unternehmensrisiken und ein insgesamt höherer Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg: Die Erwartungen an die Rechtsabteilungen sind klar definiert.

Das heißt: Die Unternehmen sind aufgerufen, ihre Rechtsabteilungen noch agiler, noch digitaler und noch leistungsfähiger zu machen, damit sie sich schließlich als internen „Trusted Advisor“ etablieren. Sie sollen das Unternehmen bei wichtigen Entscheidungen beraten – vorausschauend und auf Basis belastbarer Daten und Zahlen.

Zentrale Bedeutung der Legal Operations

Viele Vorstände und Geschäftsführer sehen in den Legal Operations ein enormes ungenutztes Potenzial, das jetzt erschlossen werden soll.

Durch die Schaffung und weitere Optimierung der dafür nötigen Strukturen und Rahmenbedingungen bekommen die Legal Operations einen zentralen Stellenwert. Die Tatsache, dass zum Beispiel eine speziell für diesen Bereich verantwortlichen Person nominiert wird, zeigt den zunehmend hohen Stellenwert im Unternehmen und in der Rechtsabteilung:

Unternehmen, die bis heute eine Legal Operations Position geschaffen haben:

40 %

(vor zwei Jahren waren es erst 27 %).

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Gemeinsame Studie des BUJ und EY Law zum Thema Legal Operations in Deutschland
 

Legal Operations - der feine Unterschied zwischen gut und führend

Studie 2022/2023

Einfach hier anfordern

Aktuelle Studie zum Status Quo zu den Legal Operations in Deutschland

Zusammen mit dem BUJ hat EY Law analysiert, was die führenden Rechtsabteilungen in Deutschland anders machen, und zum Beispiel folgende Fragen beantwortet:

Wie stellen sich Rechtsabteilungen für die Zukunft auf und warum gelingt das manchen besser als anderen? Was machen sie konkret anders? Spielt die Größe des Unternehmens und damit die der Rechtsabteilung dabei eine Rolle? Welche Kennzahlen (KPIs) kann man vergleichen und wonach steuern?  

Die führenden Rechtsabteilungen („Leader“) wurden wie in der EY-Law-Studie zu Legal Operations aus dem Jahr 2021 anhand von nahezu identischen Kriterien definiert, um so konkret aufzuzeigen, wodurch sie sich besonders auszeichnen.

 

Vergleich von 109 Rechtsabteilungen von in Deutschland tätigen Unternehmen

109 Rechtsabteilungen in Deutschland haben anonym für eine belastbare Datenbasis an der gemeinsamen Studie von BUK und EY Law teilgenommen. Herausgekommen ist ein aufschlussreicher Report, der den Status quo in Deutschland zeigt.

Wir haben uns auf in Deutschland tätige Unternehmen fokussiert, um eine aussagekräftige und vergleichbare Datenbasis herzustellen. Gesamtausgaben für die Rechtsabteilung, Ausgaben für externe Rechtsdienstleister sowie der Einsatz von Legal Technology unterscheiden sich z. B. stark je Jurisdiktion. Dies muss bei jedem Benchmarking beachtet werden.

Die Leistungsfähigkeit einer Rechtsabteilung hängt nicht vom Umsatz bzw. der Größe des Unternehmens ab.
Felix Rackwitz, MBA
Partner | Head of Integrated Legal Solutions | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Unterschiede der führenden Rechtsabteilungen

Die Leader-Gruppe (15% der Teilnehmer) unterscheidet sich u. a. durch.:

  • Eine klare Kennzahlensteuerung, die mit den externen Zielvorgaben korreliert,
  • ein aktives Management der Unternehmensrisiken,
  • eine häufigere Nutzung eines Legal Service Center,
  • einen höheren Legal Spend sowie
  • höhere Ausgaben für Legal Technology.

Klare mit den Unternehmenszielen abgestimmte Kennzahlensteuerung

Eine der Hauptfragen, die immer wieder gestellt werden, ist: Wonach soll die Rechtsabteilung idealerweise gesteuert werden? Und welches sind die eigenen KPIs (Key Performance Indicators)?

Es geht nicht mehr um generische Zielvorgaben und Einsparungen nach dem allgemeinen Motto „Mehr leisten mit weniger“. Die Rechtsabteilung soll vorausschauend auf Basis belastbarer Daten und Zahlen steuern, die aus den Unternehmenszielen kaskadiert werden. Viele Vorstände und Geschäftsführer sehen hier ein enormes ungenutztes Potenzial, das jetzt erschlossen werden soll.

Die Leader steuern selbst nach vier Hauptkennzahlen, die nahezu identisch sind mit den Zielvorgaben der Unternehmensführung.

Wenn (externe) Zielvorgaben und (interne) Steuerungsgrößen nahezu deckungsgleich sind, ist ein erfolgreiches und konsistentes Management der Rechtsabteilung möglich. Und wenn die vorgegebenen Ziele auch die eigenen Ziele sind, dann ist auch die Zufriedenheit der internen Kunden hoch.

Aktives Risikomanagement für die Erfüllung der Unternehmensziele

Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen der jüngeren Vergangenheit hat die Bedeutung eines aktiven Risikomanagements deutlich zugenommen. Als größte Unternehmensrisiken im nichtfinanziellen Bereich wurden von den Teilnehmenden Datenschutz, Compliance und vertragliche Themen genannt.

80 %

der Leader verantworten die nicht-finanziellen Risiken in der Rechtsabteilung oder der Compliance-Abteilung.

Ein Risikomonitoring sollte proaktiv und auf das Unternehmen zugeschnitten sein. Das gelingt umso besser, je individueller und automatisierter es aufgesetzt ist. Allerdings kann ein hochindividualisiertes Risikomanagement nur unzureichend durch ein standardisiertes Softwaretool unterstützt werden. Deshalb setzen nur knapp 40 % der Unternehmen IT-gestützte Lösungen für das Monitoring des Risikomanagements ein.

Mehr als die Hälfte der Rechtsabteilungen bekommen das Risikomanagement als externe Zielvorgabe von der Geschäftsführung vorgegeben. Überraschend ist, dass für gut ¼ der Rechtsabteilungen das Risikomanagement eine interne Steuerungsgröße ist.

Legal Service Center Einbindung für Agilität, Effizienz und Skalierbarkeit

Viele Unternehmen nutzen Service Center schon für andere Unternehmensbereiche (wie IT, HR, Finance, Einkauf), um sich von den häufig schwankenden Routinearbeiten zu entlasten und auf wertschöpfende Aktivitäten zu fokussieren. Die Einbindung von Legal Service Centern für eine effizientere und flexiblere Aufstellung der Rechtsabteilung ist weiter auf dem Vormarsch.

Anteil der Rechtsabteilungen, die schon ein Legal Service Center nutzen:

17 %

Zwei Zahlen machen deutlich, dass Legal Service Center immer häufiger einbezogen werden:

Anteil der anfallenden Arbeiten in der Rechtsabteilung, die von Rechtsanwälten erledigt werden müssen:

61 %

Anteil der Arbeit, den die Rechtsabteilungen planen, der künftig aus dem Home-Office erbracht werden:

48 %

Wenn knapp 40% der anfallenden Arbeiten in einer Rechtsabteilung nicht von Rechtsanwälten und fast die Hälfte der Arbeiten dezentral erbracht werden können, dann können auch weniger komplexe rechtliche Arbeiten (wie z. B. Vertragsmanagement anhand von Templates und Playbooks, der erste Vertragsreview und das Monitoring der Obligationen, das Corporate Housekeeping, die Pflege des Transparenzregisters oder das Kartellmonitoring) aus einem zentralen Legal Service Center von Paralegals / Wirtschaftsjuristen oder anderen Berufsgruppen erbracht werden.

Leader investieren erheblich mehr in digitale Themen

Den Wunsch nach Effizienz, Standardisierung und Skalierbarkeit versucht die Rechtsabteilung durch den Einsatz von Legal Technology / KI zu unterstützen. Allerdings sind hier noch nicht alle Potentiale gehoben.

Ca. 1/3 der Rechtsabteilungen verzichtet bisher ganz auf Legal Technology. Bei den Rechtsabteilungen, die Legal Technology einsetzen, ist die Zufriedenheit mit den verschiedenen Lösungen weder richtig gut noch richtig schlecht. Bei ca. 10% der Unternehmen ist die eigene Organisation mit Legal Technology Projekten überfordert.

Allerdings werden besonders mit den Entwicklungen im KI / ChatGPT Umfeld neue bzw. verbesserte Lösungen Einzug in die Rechtsabteilung halten. Hier werden Rechtsabteilungen genau beobachten, wo die Entwicklung hingeht und wie genau diese Lösungen konkret in ihrem Arbeitsumfeld unterstützen können (z. B. Vertragsmanagement, Risikomanagement). Dabei gilt es auch aus den ersten Erfahrungen mit Legal Technology noch besser zu lernen.

Auffallend ist, dass sich die durchschnittlichen Ausgaben für Legal Technology im Vergleich von vor zwei Jahren auf EUR 203.000 mehr als verdoppelt haben. Die Leader haben durchschnittlich gut dreimal so hohe Ausgaben für Legal Technology von EUR 625.000. Es scheint, als würde die Leader den Technologie Vorsprung weiter ausbauen.

Aber: Die Zufriedenheit mit der eingesetzten Legal Technology ist noch stark ausbaufähig, die eingesetzte Software hat noch hohes Optimierungspotenzial.

Vertragsmanagement

Vertragsmanagement hat für alle Rechtsabteilungen eine hohe Priorität: Es gibt kaum Rechtsabteilungen, die sich nicht der Verbesserung des Vertragsmanagements beschäftigen. Im Fokus stehen dabei die Standardisierung oder eine weitere Automatisierung der Vertragserstellung, die Digitalisierung des Unterschriftenprozesses (eSignature), der zentrale Zugriff auf die Verträge und das verbesserte Monitoring der vertraglichen Risiken und Obligationen. Dabei nähern sich die Rechtsabteilungen einer Lösung für das Vertragsmanagement unterschiedlich: Manche beginnen mit der Einführung einer CLM-Software, andere starten mit einer Prozessanalyse und definieren den Zielprozess.

34 %

der Rechtsabteilungen nutzen bereits eine Vertragsmanagementsoftware. Zählt man das Dokumentenmanagement hinzu, sind es 81 %

Die Verantwortung für die Verträge hat das Business. Allerdings kann das Vertragsmanagement zentral oder dezentral (in den jeweiligen Geschäftsbereichen) organisiert werden. Um etwa die Kosten aus der Rechtsabteilung auszulagern und die kommerzielle Verantwortung in den Geschäftsbereichen zu belassen, kann das Vertragsmanagement dezentral organisiert werden. Eine zentrale Organisation mit dezentralen Zugriffen und Verantwortungen für bestimmte Teile kann ebenso sinnvoll sein. So sind jederzeit alle Verträge im Blick und Zugriff, können risikoseitig überwacht und bei Bedarf angepasst werden.

Hier ist klar der Trend zu einem zentralen Vertragsmanagement erkennbar. Vor zwei Jahren hatten noch 35% das Vertragsmanagement zentral organisiert.

50 %

der Rechtsabteilungen / Unternehmen haben ein zentrales Vertragsmanagement.

Die Erfolgsfaktoren nach zwei Jahren auf dem Prüfstand

Die Erfolgsfaktoren der ersten Studie vor zwei Jahren haben sich bestätigt und sind immer noch gültig. General Counsel und Legal Operations Verantwortliche können aus den Erfolgsfaktoren Handlungsempfehlungen ableiten, die es ermöglichen, die für eine Neuausrichtung notwendigen Maßnahmen gezielt anzugehen.

Einige Studienteilnehmer haben ihre Funktion als „Trusted Advisor“ offenbar bereits angenommen, die notwendigen Veränderungen haben sie bereits vorgenommen. So legen die Leader unter den Rechtsabteilungen ihren Fokus nicht nur auf eine sehr hohe fachliche Qualität ihrer Arbeit, sondern auch darauf, dass sie integrativ mit den anderen Geschäftsbereichen pro-aktiv zusammenarbeiten und ihre Kosten im Griff haben.

Darüber hinaus stehen Qualität, Kundenzufriedenheit, Wertbeitrag und das Risikomanagement bei den Leadern als wichtige Kennzahlen im Vordergrund.

Große Unterschiede zwischen den Studienteilnehmern zeigten sich auch bei der Frage: Wie optimiere ich meine Kostenstruktur und wie setze ich Legal Technology ein? Unsere Auswertung hat gezeigt, dass optimierte Strukturen für Einsparungen für spürbar mehr Effizienz sorgen können. Zum Beispiel durch die Nutzung von Legal Shared Service Centern oder auch durch das Verwenden von Technologien. Hier sind die Leader deutlich offener für alternative und innovative Lösungen – auch was neue Preismodelle betrifft.

Die Einbindung von alternativen Rechtsdienstleistern (ALSPs) steht in Deutschland noch am Anfang, auch wenn die Studienteilnehmer sehr viel optimistischer bzgl. deren Nutzung in den nächsten zwei Jahren sind. Im Vergleich dazu weltweit nutzen 80 % der Rechtsabteilungen die Dienste von ALSPs.

Fazit

Die Legal Operations haben in Deutschland in den letzten zwei Jahren stark an Bedeutung gewonnen. So verfügen heute immer mehr Unternehmen über eine für Legal Operations verantwortliche Person, in der Leader-Gruppe sogar doppelt so häufig wie in der Vergleichsgruppe.

Um ihre neue Funktion als „Trusted Advisor“ und die hohen Erwartungen der Unternehmensführung erfüllen zu können, müssen die Rechtsabteilungen noch aktiver mit den anderen Geschäftsbereichen zusammenarbeiten, ihre Performance, Kosten sowie die Kundenzufriedenheit der internen Kunden regelmäßig messen und griffbereit haben. Dies Integration mit anderen Geschäftsbereichen und aktive Einbindung ist in bewegten Zeiten für das Risikomanagement des Unternehmens essenziell.

Zeitgemäße und innovative Lösungen können die notwendige Transformation beschleunigen und die Rechtsabteilung zu einem echten Wettbewerbsvorteil verwandeln. Dies betrifft nicht nur Legal Technology, sondern auch die organisatorische und prozessseitige Neuaufstellung.

Wenn Sie wissen möchten, wo Deutschlands führende Rechtsabteilungen aktuell stehen und was die besten besser machen, senden wir Ihnen gerne die komplette Studie mit den vollständigen Ergebnissen zu.

Über diesen Artikel

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Felix Rackwitz, MBA

Partner | Head of Integrated Legal Solutions | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Felix Rackwitz ist Rechtsanwalt bei EY Law und leitet den Bereich Integrated Legal Solutions.

Tamay Schimang

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Tamay Schimang ist Rechtsanwalt bei EY Law und im Bereich Legal Operations, Legal Function Consulting und Integrated Business Solutions tätig.