4 Minuten Lesezeit 14 April 2021
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Einstweiliger Rechtsschutz gegen Ausschließung als Gesellschafter

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OLG München, Urt. v. 02.12.2020 – 7 U 4305/20 (LG München I, Urt. v. 01.07.2020 – 10 HK 5152/20)

Überblick
  • Mit Urteil vom 02.12.2020 (Az.: 7 U 4305/20) entschied das Oberlandesgericht München (OLG) über den Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GmbH.
  • Nach dem OLG führt allein ein Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung noch nicht zum Ausschluss des betroffenen Gesellschafters. Vielmehr bedarf es in einer solchen Konstellation für einen wirksamen Ausschluss eines Gestaltungsurteils nach erfolgreich erhobener Ausschlussklage.

Bis zur Erwirkung eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils über seinen Ausschluss behält der auszuschließende Gesellschafter seine vollen Gesellschafterrechte. Zwar kann auch bei einer fehlenden vorläufigen Verbindlichkeit des Ausschlusses die Gefahr bestehen, dass eine geänderte, den auszuschließenden Gesellschafter nicht mehr ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht wird, was ein Vorgehen des auszuschließenden Gesellschafters im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen könnte. Die Anforderungen, die in einer solchen Konstellation an die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes zu stellen sind, sind jedoch hoch. Zu dem Beschluss müssen weitere, die aktuelle Gefahr der Einreichung einer unrichtigen Gesellschafterliste begründende Umstände hinzutreten.

Sachverhalt

Die Beklagte ist eine GmbH mit zwei gleich beteiligten Gesellschaftern, wobei der Kläger einer der beiden Gesellschafter ist. In der hier dargestellten Berufung des einstweiligen Verfügungsverfahrens wurde nur noch über die Gesellschafterstellung des Klägers in der Beklagten gestritten.

Eine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters enthält die Satzung der Beklagten ebenso wenig wie zur Einziehung von Geschäftsanteilen.
Mit Schreiben vom 09.04.2020 lud die Geschäftsführerin der Beklagten den Kläger unter Beifügung einer Tagesordnung zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 27.04.2020 ein. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte die Geschäftsführerin der Beklagten dem Kläger eine ergänzte Tagesordnung zur Gesellschafterversammlung am 27.04.2020, die u. a. als TOP 9 folgenden Punkt enthielt: „Ausschließung des Gesellschafters [Anmerkung der Verfasser: des Klägers] wegen pflichtwidriger und gesellschaftsschädigender Handlungen, erheblicher unberechtigter Privatentnahmen, Verweigerung von Aufklärungsmaßnahmen im Hinblick auf zum Vorwurf gemachten Pflichtverletzungen, Gewährung von unberechtigten wirtschaftlichen Vorteilen an Dritte etc. sowie Prüfung zur Einleitung gerichtlicher Verfahren diesbezüglich“.

Im Rahmen der Gesellschafterversammlung stimmte der Kläger hinsichtlich TOP 9 mit Nein und die weitere Gesellschafterin mit Ja. Nach der Abstimmung zu TOP 9 stellte die Versammlungsleiterin fest, dass die Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der anderen Gesellschafterin den Ausschluss des Klägers aus der Beklagten beschlossen habe. Bezüglich TOP 9 unterliege der Kläger einem Stimmverbot, so die Versammlungsleiterin.

Im weiteren Verlauf lud die Geschäftsführerin mit Schreiben vom 07.05.2020 den Kläger unter Übermittlung einer Tagesordnung zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 26.05.2020 ein. Als TOP 11 war die „Ausschließung des Gesellschafters [Anmerkung der Verfasser: des Klägers] aus der Gesellschaft […]“ aufgeführt. Nach der Abstimmung stellte die Versammlungsleiterin, die Geschäftsführerin, fest, dass die Gesellschafterversammlung den Ausschluss des Klägers als Gesellschafter beschlossen habe. Der Kläger unterliege bei dieser Abstimmung einem Stimmverbot.

Des Weiteren wurde der Kläger von der Geschäftsführerin der Beklagten zu einer weiteren außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten am 16.06.2020 eingeladen. Unter TOP 1 sollte erneut die Ausschließung des Klägers aus der Beklagten sowie die Erhebung einer Ausschlussklage durch die Beklagte beschlossen werden. Die Versammlungsleiterin, die Geschäftsführerin, stellte die Beschlussfassung zu TOP 1 fest, da der Kläger einem Stimmverbot unterliege.

Eine geänderte Gesellschafterliste, die den Kläger nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten auswies, wurde bis zur hiesigen Entscheidung nicht zum Handelsregister eingereicht. Gegen alle Ausschließungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Eine Ausschlussklage ist seitens der Beklagten nicht erhoben worden.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2020 beantragte der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung unter anderem, dass es der Beklagten untersagt werde, zum Handelsregister eine Gesellschafterliste einzureichen, in der er nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten genannt ist, bis in der Hauptsache rechtskräftig entschieden worden ist, ob in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 27.04.2020 ein wirksamer Beschluss über die Ausschließung des Klägers als Gesellschafter und die Zwangseinziehung der Geschäftsanteile des Klägers an der Beklagten gefasst wurde. Ferner beantragte der Kläger, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihn als Gesellschafter der Beklagten mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln, bis über die Beschlüsse der Antragsgegnerin vom 27.04.2020, wonach der Kläger aus der Beklagten ausgeschlossen und seine sämtlichen Geschäftsanteile eingezogen werden, rechtskräftig gerichtlich entschieden ist.

Mit Beschluss vom 29.04.2020 (Az.: 10 HK O 5152/20) erließ das Landgericht München I antragsgemäß die einstweilige Verfügung, wogegen die Beklagte Widerspruch einlegte.
Mit Endurteil vom 01.07.2020 (Az.: 10 HK O 5152/20) hielt das LG München I seine einstweilige Verfügung vom 29.04.2020 in den hier entscheidenden Punkten vollständig aufrecht.
Zur Begründung führte das LG München I an, dass der Kläger einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht habe, als es um seinen Ausschluss aus der Beklagten gegangen sei. Denn nach dem Beschluss vom 27.04.2020, der bis zu einer etwaigen Unwirksamkeitsfeststellung im Hauptsacheverfahren vorläufig wirksam sei, sei der Kläger von der Mitwirkung in der Gesellschafterversammlung ausgeschlossen, sodass in der Zwischenzeit die verbleibende Gesellschafterin das Unternehmen der Beklagten nach Belieben umgestalten könne. Dies könne, selbst wenn der Kläger in der Hauptsache obsiegen würde, nur mit unverhältnismäßigem Aufwand oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden und nur dadurch verhindert werden, dass der Beklagten verboten werde, eine neue Gesellschafterliste, in der der Kläger nicht mehr als ihr Gesellschafter ausgewiesen werde, zum Handelsregister einzureichen. Gleichzeitig sei der Beklagten deshalb aber auch aufzuerlegen, den Kläger bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin als Gesellschafter zu behandeln.
Die Beklagte verfolgte mit ihrer anschließenden Berufung ihr ursprüngliches Antragsabweisungsziel vollumfänglich weiter.

Sie trug vor, dass ein Verfügungsgrund hinsichtlich der Gesellschafterstellung des Klägers schon deshalb nicht bestehe, da die Beklagte den Kläger trotz des Ausschließungsbeschlusses vom 27.04.2020 weiterhin als Gesellschafter behandle, was schon durch die Einladungen des Klägers zu den Gesellschafterversammlungen vom 26.05.2020 und 16.06.2020 zum Ausdruck komme. Darüber hinaus habe die Beklagte auch nicht die Absicht, den Ausschluss des Klägers als Gesellschafter der Beklagten zum Handelsregister anzumelden. Eine solche Anmeldung werde nicht erfolgen, da ein Ausschließungsbeschluss mangels einer Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters in der Satzung der Beklagten für einen Ausschluss ohnehin nicht ausreiche.

Der Kläger entgegnete, dass ein Verfügungsgrund hinsichtlich der Ausschließung als Gesellschafter aufgrund der drei Ausschließungsbeschlüsse vorliege, da die Gefahr bestehe, dass die Beklagte das Ausscheiden des Klägers als Gesellschafter unverzüglich durch Einreichung einer entsprechend geänderten Gesellschafterliste anmelden werde.

Entscheidung

Das OLG München entschied, dass die Berufung der Beklagten begründet sei, da der Kläger einen hinreichenden Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht habe. Zwar habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass der auf der Gesellschafterversammlung vom 27.04.2020 zu TOP 9 gefasste Beschluss hinsichtlich des Ausschlusses des Klägers aus der Beklagten vorläufig verbindlich sei; in Ermangelung einer Satzungsregelung über den Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft führe ein Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung jedoch noch nicht zum Ausschluss des betroffenen Gesellschafters. Vielmehr bedürfe es in einer solchen Konstellation für einen wirksamen Ausschluss eines Gestaltungsurteils nach erfolgreich erhobener Ausschließungsklage. Bis zur Erwirkung eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils über seinen Ausschluss behalte der auszuschließende Gesellschafter seine vollen Gesellschafterrechte. 

Auch bei einer fehlenden vorläufigen Verbindlichkeit des Ausschlusses könne die Gefahr der Einreichung einer geänderten, den auszuschließenden Gesellschafter nicht mehr ausweisenden Gesellschafterliste zum Handelsregister bestehen. Die in einer solchen Konstellation an die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes zu stellenden Anforderungen seien jedoch hoch. Es müssen weitere, die aktuelle Gefahr der Einreichung einer unrichtigen Gesellschafterliste begründende Umstände hinzutreten. Solche habe der Kläger aber weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Vielmehr sei in dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren unstreitig, dass der Kläger trotz des Ausschließungsbeschlusses zu den nachfolgenden Gesellschafterversammlungen der Beklagten eingeladen worden sei und auch teilgenommen habe. Dies verdeutliche, dass der Kläger trotz des Ausschließungsbeschlusses vom 27.04.2020 bis zur Erwirkung eines rechtkräftigen Ausschließungsurteils weiterhin ihr Gesellschafter sei. Dafür spreche auch, dass die Geschäftsführerin der Beklagten bislang keine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht habe und dass in der Gesellschafterversammlung ausdrücklich die Erhebung einer Ausschlussklage beschlossen worden sei. 

Der Senat habe hieraus entnommen, dass sich die Beklagte durchaus bewusst gewesen sei, dass der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Ausschließungsprozesses weiterhin ihr Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten sei, und dies respektiere. Die Gefahr der Aufnahme einer geänderten, unrichtigen Gesellschafterliste in das Handelsregister erachte der Senat auch für nicht erheblich, da das Registergericht, obwohl es grundsätzlich nur eine Prüfung der Gesellschafterliste in formaler Hinsicht vorzunehmen habe, die Aufnahme der Gesellschafterliste zum Registerordner jedenfalls dann zu verweigern habe, wenn die eingereichte geänderte Gesellschafterliste offenkundig unrichtig sei oder wenn das Registergericht sichere Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit der eingereichten Liste habe. Das Registergericht dürfe nicht wissentlich an der Schaffung eines falschen Rechtsscheins mitwirken und damit möglicherweise die Grundlage für Schädigungen Dritter oder von Gesellschaftern schaffen. Aufgrund der Kenntnis des Registergerichts von der Satzung der Beklagten, die keine Ausschlussregelung enthalten habe, des Beschlusstextes und in Ermangelung eines Ausschließungsurteils wäre aber im streitgegenständlichen Fall von einer solchen sicheren Kenntnis des Registergerichts von der inhaltlichen Unrichtigkeit einer den Kläger nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste auszugehen gewesen. Im Übrigen habe der Geschäftsführer vor Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister dem betroffenen Gesellschafter Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Hierdurch werde dem auszuschließenden Gesellschafter effektiver Rechtsschutz auch nicht verwehrt. Nach alledem bestehe vorliegend kein Verfügungsgrund, sodass das landgerichtliche Urteil aufzuheben und der Antrag des Klägers zur Gänze abzuweisen gewesen sei.

Fazit

Das OLG München richtet in seiner Entscheidung den Blick auf den Verfügungsgrund und zeigt damit besonders anschaulich auf, dass bei einem Vorgehen gegen einen Ausschließungsbeschluss das Vorliegen eines Verfügungsgrundes intensiv geprüft werden muss. Oftmals wird bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Schwerpunkt der Argumentation auf den Verfügungsanspruch gelegt und mehr oder minder davon ausgegangen, dass auch ein Verfügungsgrund vorliegt. Das OLG München geht in seiner Entscheidung auf den Verfügungsanspruch jedoch überhaupt nicht ein, sondern begründet seine Entscheidung damit, dass es bereits an einem Verfügungsgrund fehle. Dies führte unweigerlich dazu, dass letztlich die begehrte einstweilige Verfügung nicht erlassen wurde. Besonders an der Entscheidung ist, dass das OLG München darlegt, dass die Anforderungen an den Verfügungsgrund im Zusammenhang mit einem Ausschließungsbeschluss in Ermangelung einer satzungsrechtlichen Regelung hoch sind. Es weist in aller Deutlichkeit darauf hin, dass der Kläger für das Vorliegen des Verfügungsgrundes die Beweis- und Darlegungslast trägt. Dem konnte der Kläger vorliegend bereits deshalb nicht nachkommen, weil das Registergericht eigene Kenntnis von der Unrichtigkeit einer einzureichenden Gesellschafterliste hatte und somit eine Eintragung verweigert hätte.

Eine intensive rechtliche Beratung bei der Beantragung einer einstweiligen Verfügung ist daher unabdingbar, insbesondere aufgrund des oftmals herrschenden Zeitdrucks.

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