Im Fernwärmebereich wird die grundsätzlich geltende Vertragsfreiheit eingeschränkt durch die Vorgaben der AVBFernwärmeV. Diese findet ihre Anwendung auf alle Vertragsverhältnisse, in denen Versorgungsunternehmen für den Anschluss an die Fernwärme solche Vertragsmuster verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind.
Die AVBFernwärmeV ermöglicht eine freie Gestaltung der Preise (im Rahmen der kartellrechtlichen Grenzen oder von Gebührensatzungen). Der Preis wird grundsätzlich vom Fernwärmeversorgungsunternehmen auf der Grundlage der Ertragsziele sowie der Kosten- und Werttreiber kalkuliert und gilt dann im Allgemeinen während der gesamten Vertragslaufzeit. Diese ist im Bereich der Fernwärme vom Gesetzgeber zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit der Kunden lang bemessen (bis zu zehn Jahre, § 32 Abs. 1 Satz 1 AVBFernwärmeV). Hinzu kommt die Möglichkeit der automatischen Vertragsverlängerung (§ 32 Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV). Gerade diese Langfristigkeit erfordert Preisanpassungsmöglichkeiten.
Zukünftig: Keine einseitige Änderung von Preisänderungsklauseln über öffentliche Bekanntmachung
Bislang geschah Änderung von Preisänderungsklauseln häufig über die Heranziehung des § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV, also durch öffentliche Bekanntgabe. Eine individuelle Ansprache des einzelnen Kunden entfiel damit. Dieser Weg mittels öffentlicher Bekanntmachung wurde bislang von großen Teilen der Rechtsprechung unterstützt (u. a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Februar 2018, I-27 U 2/17; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22. Mai 2013, 3 O 4143/12; LG Würzburg, Urteil vom 29. Januar 2019, 3 S 1994/17).
Die Rechtmäßigkeit dieses Weges wurde jedoch zuletzt durch die Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. (OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2019, 6 U 190/17) angezweifelt. Das OLG vertritt die Auffassung, dass ein Fernwärmeversorger nicht berechtigt sei, eine mit seinen Kunden vertraglich vereinbarte Preisänderungsklausel einseitig durch öffentliche Bekanntmachung zu ändern. Diese Auffassung wird auch von anderen Gerichten vertreten (LG Hamburg, Urteil vom 29. November 2019, 312 O 577/15; KG Berlin, Urteil vom 29. September 2020, 9 U 19/20) und wurde nunmehr auch vom Bundesrat in der BR-Drs. 310/1/21 eingeschlagen.
Auf Empfehlung des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz hat der Bundesrat am 14. Juni 2021 der Änderung der AVBFernwärmeV nach der Maßgabe zugestimmt, dass in den § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV ein Satz 4 eingefügt wird, der festlegt:
„Eine Änderung einer Preisänderungsklausel darf nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen.“
In seiner Begründung nimmt der Bundesrat auf die bisherige Praxis Bezug, dass in der Vergangenheit Fernwärmeversorgungsunternehmen einseitig Preisänderungsklauseln geändert und darauf Preiserhöhungen gestützt haben. Dabei habe es sich nicht um zulässige Erhöhungen aufgrund der Anwendung einer bestehenden Preisanpassungsklausel, sondern um die Änderung der inhaltlichen Ausgestaltung der Klausel (als Beispiel nennt der Bundesrat die Bemessungsfaktoren) gehandelt.
Interessant an der Entscheidung des Bundesrats ist, dass er diese mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) begründet, auf welche sich auch das OLG Frankfurt am Main in der o. g. Entscheidung bezog. Nach der Auffassung des Bundesrats scheine auch der BGH in seiner Entscheidung (Urteil vom 19. Juli 2017, VIII ZR 268/15) kein einseitiges Änderungsrecht einer Preisänderungsklausel angenommen zu haben.Tatsächlich hat sich der BGH jedoch noch gar nicht mit der Frage auseinandergesetzt, sondern lediglich am Ende der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass sich das Berufungsgericht mit der Frage auseinandersetzen müsse, ob die zur Prüfung gegebene Klausel durch aufeinander bezogene korrespondierende Willenserklärungen der Parteien (§§ 145 ff. BGB) Vertragsbestandteil wurde.
Der Bundesrat geht dennoch in seiner weiteren Begründung darauf ein, dass „substantielle Vertragsänderungen“ grundsätzlich nur durch übereinstimmende Erklärungen der Vertragspartner vorgenommen werden könnten. Die in § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV zu ergänzende Klarstellung solle die Verbraucher schützen, die nicht die Möglichkeit hätten, sich von langfristigen Fernwärmeverträgen zu lösen.