Am 25. Juli 2022 wurde erstmals seit vielen Jahren ein umfassender Entwurf für eine umfassende Neuregelung der Fernwärmeversorgung veröffentlicht, womit die AVBFernwärmeV insgesamt an die seit 1980 eingetretenen Änderungen angepasst werden soll.
Stärkere Stellung der Verbraucher
Mit dieser umfassenden Novelle der AVBFernwärmeV werden die Rechte von Fernwärmekunden gegenüber dem Fernwärmeversorgungsunternehmen weiter gestärkt: Nach § 3 des Entwurfs können die Kunden den Bezug von Fernwärme auf einen gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf beschränken und eine Leistungsanpassung verlangen, wenn sie ihren Wärmebedarf unter Nutzung erneuerbarer Energien decken wollen oder der Wärmebedarf sich aufgrund einer energetischen Gebäudesanierung verringert. Anders als in dem derzeit geltenden § 3 AVBFernwärmeV fehlt die Einschränkung, dass diese Anpassung nur „einmal jährlich“ verlangt werden darf.
In zahlreichen Fällen ordnet der Entwurf ausdrücklich Transparenz an, etwa bei Vertragsunterlagen (§ 2 Abs. 3 des Entwurfs) und bei den Kosten für Hausanschlüssen (§ 10 Abs. 1 des Entwurfs). Nach § 24 Abs. 4 des Entwurfs sind den Abnehmern Indizes und Energieträgerkosten im Einzelnen mitzuteilen. Grundstücksbenutzungs- und Zutrittsrechte werden ähnlich den NAVs neu gefasst (§§ 7 und 16 des Entwurfs). Die Einstellung der Versorgung von Verbrauchern wird entsprechend den Grundversorgungsverordnungen erschwert (§ 33 des Entwurfs).
Für die Vertragsdokumentation und Kündigungen soll künftig die Textform ausreichend sein – es wird also keine Schriftform mehr verlangt (§§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 6 und 32 Abs. 6 des Entwurfs).
Streitpunkt Preisänderungen
Ein Kern der Neuregelung betrifft die Preise. Vertraglich vereinbarte Preisänderungsklauseln dürfen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfs nur so ausgestaltet sein, dass sich der Preis insoweit ändert, wie sich die Kosten bei Erzeugung oder Bereitstellung der Fernwärme durch das Fernwärmeversorgungsunternehmen ändern, und die Preisänderungsklauseln die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Die Verordnungsbegründung lässt offen, ob damit inhaltliche Änderungen im Vergleich zum bisherigen § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV verbunden sind. Angesichts des Umstands, dass auch die Verordnungsbegründung keinerlei Aussagen zu Markt- und Kostenelement enthalten, spricht vieles dafür, dass der Verordnungsgeber die gängige Praxis wohl fast aller Versorgungsunternehmen, eine ungleiche Aufteilung zwischen Markt- und Kostenelement vorzunehmen, offenbar billigt. Die Vorschrift soll gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs nur für Verträge gelten, die nach Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossen werden.
Ein neuer § 24a AVBFernwärmeV soll nach der Verordnungsbegründung „im Ausnahmefall“ eine einseitige Änderung von Preisänderungsklauseln für den Fall ermöglichen, dass das Fernwärmeversorgungsunternehmen aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben einen eingesetzten Energieträger wechselt. Die einseitige Anpassung der Preisänderungsklausel hat innerhalb eines Jahres nach Umstellung des Energieträgers zu erfolgen. Damit trägt die Regelung dem extrem großen Bedürfnis nach einer Regelung für den Fuel Switch Rechnung. In den letzten Jahren war zwar der Kohleausstieg vorangetrieben worden, aber die Versorger mit der Situation einer Anpassung der Verträge an geänderte Rahmenbedingungen allein gelassen worden. Dies führte u.a. zu kürzeren Laufzeiten oder zu Verträgen mit gestaffelten Preisklauseln. Viele Versorger hatten zwischenzeitlich reagiert und müssen sich nun prüfen, ob die bisherigen Lösungen so weiterverfolgt werden können.
Die umstrittene, erst vor kurzem erlassene Regelung von § 24 Abs. 4 Satz 4 AVBFernwärmeV, wonach eine Änderung einer Preisänderungsklausel nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen darf, ist in der künftigen Fassung nicht mehr vorgesehen. Das Fernwärmeversorgungsunternehmen muss nun dem Kunden gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 des Entwurfs bei Ausübung eines Rechts zur Änderung der allgemeinen Versorgungsbedingungen die Änderung in Textform mitteilen und diese auf seiner Internetseite veröffentlichen. Umfang, Anlass und die Voraussetzungen der Änderung sind anzugeben. Fernwärmeversorgungsunternehmen waren nach einer erst am 26. Januar 2022 ergangenen Entscheidung berechtigt und verpflichtet, gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVB-FernwärmeV in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV a.F., eine bereits anfänglich unwirksame oder eine später unwirksam gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht (BGH, Urteil vom 26. Januar 2022, VIII ZR 175/19, Leitsatz a). Auch in einem solchen Fall wäre das Fernwärmeversorgungsunternehmen verpflichtet, Angaben zu Umfang, Anlass und Voraussetzungen der neuen Preisänderungsklausel zu machen, sofern man diese als Teil der allgemeinen Versorgungsbedingungen ansieht.
Kürzere Laufzeiten
Die Laufzeit von Versorgungsverträgen beträgt nach § 32 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs bei neu hergestellten Hausanschlüssen oder bei wesentlicher Erhöhung der vereinbarten Fernwärmeleistung höchstens zehn Jahre, in allen anderen Fällen höchstens fünf Jahre. Wie bisher kann die Erstlaufzeit auch kürzer vereinbart werden. Wird keine Laufzeit vereinbart, ist der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Wird der Vertrag (mit einer vereinbarten Laufzeit) nicht von einer der beiden Seiten mit einer Frist von sechs Monaten vor Ablauf der Vertragsdauer gekündigt, so gilt eine Verlängerung um jeweils weitere fünf Jahre als stillschweigend vereinbart. Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs darf die Verlängerung bei Verträgen mit Verbrauchern zwei Jahre nicht übersteigen.
§ 32 AVBFernwärmeV soll nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs auch künftig auf allgemeine Versorgungsbedingungen der Fernwärmeversorgungsunternehmen anzuwenden sein, allerdings nach der Übergangsregel in § 36 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs nur auf Verträge, welche nach dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen wurden. Sollten diese längere Vertragslaufzeiten vorsehen, wären diese wegen Verstoßes gegen § 32 des Entwurfs dann unwirksam. Sofern keine feste Vertragslaufzeit vereinbart ist, läuft das Vertragsverhältnis nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf unbestimmte Zeit, kann aber von jeder Vertragspartei „durch eine ordentliche Kündigung alsbald“ beendet werden (BGH, Urteil vom 15. Januar 2014, VIII. ZR 111/13, Rn. 25 f.).