COVID-19: (Partielle) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Was ist der Hintergrund der geplanten (partiellen) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat in einer Pressemitteilung vom 16. März 2020 angekündigt, eine gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorzubereiten, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind.
Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, erklärt hierzu:
„Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen. Deshalb flankieren wir das von der Bundesregierung bereits beschlossene Hilfspaket mit einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 für die betroffenen Unternehmen. Mit diesem Schritt tragen wir dazu bei, die Folgen des Ausbruchs für die Realwirtschaft abzufedern.“
Was genau ist geplant?
Der genaue Text der geplanten gesetzlichen Regelung liegt bislang nicht vor. Der Pressemitteilung des BMJV zufolge sollen als Vorbild jedoch Regelungen dienen, die anlässlich der Hochwasserkatastrophen in 2002, 2013 und 2016 getroffen wurden. Das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei hochwasser- und starkregenfallbedingter Insolvenz aus dem Jahr 2016 lautete in § 1 wie folgt:
„Beruht der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle und Hochwasser im Mai und Juni 2016, so ist die nach § 15a der Insolvenzordnung bestehende Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt, solange die Antragspflichtigen ernsthafte Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen führen und dadurch begründete Aussichten auf Sanierung bestehen, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2016.“
Wem wird die geplante (partielle) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht voraussichtlich helfen?
Sofern die angekündigte gesetzliche Regelung analog zu den früheren Regelungen umgesetzt wird, wird es entscheidend darauf ankommen, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht. Erforderlich ist dann eine Kausalität zwischen dem Insolvenzgrund und der Corona-Epidemie.
Daraus folgt gleichzeitig, dass die neue Regelung für Unternehmen, bei denen ein Insolvenzgrund unabhängig von der Corona-Epidemie eintritt oder bereits eingetreten ist, von der geplanten Regelung voraussichtlich nicht gilt. Diese würden daher wohl weiterhin insolvenzantragspflichtig bleiben.
Wie wirkt sich die geplante Regelung auf Haftungsrisiken der Geschäftsleiter aus?
Die Regelung aus dem Jahr 2016 bezog sich nur auf die Insolvenzantragspflicht als solche. Haftungsfragen, insbesondere im Zusammenhang mit § 64 GmbHG, § 92 Abs.2 AktG waren nicht geregelt. Sollte auch diesmal keine Regelung hierzu erfolgen, wäre die Situation unklar.
Welche Fragen stellen sich für die Unternehmensorganisation?
- Ist die Liquidität gesichert?
- Falls die Liquidität nicht gesichert ist: Beruht die Liquiditätsunterdeckung auf der Corona-Epidemie?
Wenn nicht: Die Insolvenzantragspflichten gelten weiterhin ohne Einschränkung.
Wenn ja: Welche Möglichkeiten bestehen, um bei Inanspruchnahme der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht die für den Geschäftsbetrieb erforderliche Infrastruktur trotz Liquiditätsengpass aufrecht zu erhalten?
Was bei der angekündigten Befreiung von der Insolvenzantragspflicht zu beachten ist
Der mit der Coronakrise einhergehende „Shutdown“ ist für viele Unternehmen mit dramatischen Umsatzeinbußen verbunden, die vielfach zu Liquiditätsengpässen führen. Die Bundesregierung hat für betroffene Unternehmen Liquiditätshilfen in Form von Darlehen in Aussicht gestellt. Bis die in Aussicht gestellten Mittel fließen, wird jedoch eine gewisse Zeit ins Land gehen. Zudem muss im Einzelfall geprüft werden, ob diese Mittel tatsächlich in Anspruch genommen werden können.
Bei eintretenden Liquiditätsengpässen sind von der Geschäftsführung Insolvenzantragspflichten zu beachten, deren Missachtung zu persönlichen zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen führen kann. Ob die angekündigte Befreiung von der Insolvenzantragspflicht im konkreten Fall greift, muss daher sorgfältig erwogen werden.