3 Minuten Lesezeit 22 Oktober 2020
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Grenzüberschreitender identitätswahrender Formwechsel

Von Felix von Bredow

Partner | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Felix von Bredow ist Rechtsanwalt bei EY Law und im Bereich Gesellschaftsrecht sowie Mergers & Acquisitions tätig.

3 Minuten Lesezeit 22 Oktober 2020

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Grenzüberschreitender Formwechsel einer ausländischen Personengesellschaft in eine deutsche Kommanditgesellschaft (sog. Hereinformwechsel) – „wilder Formwechsel“ oder entsprechende Anwendung der Verfahrensvorschriften des Umwandlungsgesetzes? - OLG Oldenburg, Beschl. vom 30.06.2020 – Az.: 12 W 23/20 (HR)

Überblick
  • Erstmals hat sich ein deutsches Gericht mit dem grenzüberschreitenden Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft befasst.
  • Im Folgenden wird insbesondere erörtert, ob sich die Praxis künftig auf diese „Verfahrenserleichterungen“ nach der Rechtsprechung des OLG Oldenburg verlassen kann.

Das Registergericht (Handelsregister des Amtsgerichts Aurich) hatte den Antrag auf Eintragung der identitätswahrenden Sitzverlegung einer Luxemburger Kommanditgesellschaft unter Formwechsel in eine deutsche GmbH & Co. KG mit Beschluss vom 15.10.2019 zurückgewiesen. Das OLG Oldenburg hat der Beschwerde gegen das Registergericht mit Beschluss vom 30.06.2020 abgeholfen und sich über die Bedenken des Registergerichts, es fehle an gesetzlichen Regelungen, namentlich im Umwandlungsgesetz, wie eine solche Sitzverlegung durchzuführen sei, hinweggesetzt.

Überraschend dabei ist, dass das OLG Oldenburg seine Entscheidung – entgegen der bislang herrschenden Auffassung in der Literatur – nicht europarechtlich begründet, sondern im Grundsatz bereits aus dem deutschen Recht ableitet. Damit einhergehend sieht das OLG Oldenburg keine Notwendigkeit, umwandlungsrechtliche Verfahrensvorschriften analog auf den grenzüberschreitenden Hereinformwechsel einer ausländischen Kommanditgesellschaft anzuwenden.

Rechtslage

Zulässigkeit des Hereinformwechsels in eine deutsche Kommanditgesellschaft

Der „Hereinformwechsel“ einer ausländischen Kommanditgesellschaft aus einem EU- oder EWR-Mitgliedsstaat in eine entsprechende Rechtsform deutschen Rechts (sog. rechtsformkongruenter Formwechsel) wird nach ganz herrschender Meinung in der Literatur für zulässig erachtet. Auch Personengesellschaften genießen als Ausfluss der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) „Formwechselfreiheit“ (J. Schmidt, ZEuP 2020, 565, 566; Schall in Heidel/Schall, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 2020, Anhang zu § 177a (3) Rn. 91 ff. m. w. N.; Stiegler in Jung/Krebs/Stiegler, Gesellschaftsrecht in Europa, 1. Aufl. 2019, § 10 Rn. 152 m. w. N.). Dem schließt sich das OLG Oldenburg nunmehr jedenfalls im Ergebnis an.

Modalitäten des Hereinformwechsels in eine deutsche Kommanditgesellschaft – „wilder Formwechsel“ oder zwingende entsprechende Anwendung der Verfahrensvorschriften des UmwG?

Nach Teilen der Literatur sollen zwei Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels in die Kommanditgesellschaft offenstehen: Zunächst kann sich der grenzüberschreitende Formwechsel ohne besondere formelle Anforderungen durch freie vertragliche Vereinbarung vollziehen, so wie auch inländische Personengesellschaften außerhalb des UmwG jederzeit von einer Art der Personengesellschaft in eine andere überwechseln können (z. B. durch den Betritt eines Kommanditisten zu einer OHG wechselt diese in die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft) (so etwa BeckOGK/von Thunen, 01.10.2018, IPR Internationales Personengesellschaftsrecht, Rn. 126 ff.; Lieder in Oetker, Handelsgesetzbuch, 6. Aufl. 2019, § 105 Rn. 145 bei Fn. 689 unter Verweis auf Schnittker/Benecke FR 2010, 565, 570). Ein solcher grenzüberschreitender Formwechsel allein durch tatsächliche Sitzverlegung wird auch als „wilder Formwechsel“ bezeichnet (Schall in Heidel/Schall, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 2020, Anhang zu § 177a [3] Rn. 91). Darüber hinaus soll nach Teilen der Literatur ein innergemeinschaftlicher grenzüberschreitender Rechtsformwechsel zusätzlich auch analog den Verfahrens- und Schutzregelungen des Umwandlungsgesetzes möglich sein (BeckOGK/von Thunen, 01.10.2018, IPR Internationales Personengesellschaftsrecht, Rn. 126 ff. m. w. N.). Die analoge Anwendung des Umwandlungsrechts für Europäische Aktiengesellschaften (SEs) wird dagegen überwiegend abgelehnt, weil diese Normen speziell für eine supranationale Rechtsform für Großunternehmen geschaffen wurden und daher für typischerweise personalistisch geprägte Personengesellschaften nicht passen (BeckOGK/von Thunen, 1.10.2018, IPR Internationales Personengesellschaftsrecht, Rn. 127 m. w. N.).

Dem folgt das OLG Oldenburg unter Berufung auf die sog. Trabrennbahnentscheidung des BGH (BGH NJW 2009, 289, 291; sog. Wechselbalgtheorie) nur insoweit, als es den grenzüberschreitenden Formwechsel einer ausländischen Gesellschaft in eine deutsche Personengesellschaft bereits nach nationalem Recht und ohne Rückgriff auf europäisches Recht (insb. die „Vale“-Entscheidung des EuGH) für zulässig hält. Der Formwechsel sei nicht Ergebnis eines Umwandlungsverfahrens, sondern knüpfe an die grenzüberschreitende Sitzverlegung an. Ein identitätswahrender grenzüberschreitender Formwechsel sei somit ohne Beachtung der Verfahrens- und Schutzvorschriften des UmwG möglich, wenn das jeweilige ausländische Recht des Wegzugsstaates (im vorliegenden Fall Luxemburg) eine identitätswahrende Sitzverlegung zulässt.

Hierzu wird kritisch angemerkt: Ordnet der Wegzugsstaat nicht wie Luxemburg die liquidationslose Auflösung der formwechselnden Gesellschaft an, führte das zu einer Statutendopplung und gerade nicht zur einer rechtlichen Identitätswahrung des Rechtsträgers (Stiegler NZG 2020, 979, 981) bzw. zu ungeklärten gesellschafts- und steuerrechtlichen Folgen (BeckOGK/von Thunen, 01.10.2018, IPR Internationales Personengesellschaftsrecht, Rn. 130). Die bislang herrschende Meinung in der Literatur (insb. Stiegler NZG 2020, 979 ff. m. w. N.; Bayer/Schmidt ZHR 173 (2009) 735, 767 m. w. N.) setzt dementsprechend insbesondere zum Schutz der Gläubiger voraus, dass der grenzüberschreitende Formwechsel in die Rechtsform einer deutschen Kommanditgesellschaft den Verfahrensvorschriften des UmwG in entsprechender Anwendung folgt.

Fazit

Es wäre angesichts der dogmatischen Ungereimtheiten des Ansatzes des OLG Oldenburg mit rechtlichen Risiken behaftet und stellt gewiss nicht den „sichersten Weg“ der rechtsgestaltenden Beratung dar, bis zu einer weiteren Klärung durch die Rechtsprechung dem Beschluss des OLG Oldenburg zu folgen. Die Praxis wird daher, wie auch im vorliegenden Fall, weiterhin die §§ 190 ff., 228 ff. UmwG entsprechend auf den Hereinformwechsel in die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft anwenden. Da die Details der analogen Anwendung des Umwandlungsrechts im Bereich der Personengesellschaften noch weitgehend ungeklärt sind, ist eine enge Abstimmung mit den Rechtsberatern im Wegzugsstaat und mit dem zuständigen Registergericht in Deutschland erforderlich. Grundsätzlich ist daher auch weiterhin mit einem erhöhten Beratungs- und Gestaltungsaufwand beim grenzüberschreitenden Formwechsel in die Rechtsform der KG zu rechnen.

Daran ändert auch die bis zum 31.01.2023 in nationales Recht umzusetzende EU-Mobilitätsrichtlinie (Richtlinie [EU] 2019/2121 – MobilRL) nichts, da diese nur für innergemeinschaftliche Kapitalgesellschaften gilt. Auch wenn dies rechtspolitisch wünschenswert erscheint, ist nicht zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber über die Regelungen der MobilRL hinausgeht und den grenzüberschreitenden Formwechsel von Personenhandelsgesellschaften regelt.

Über diesen Artikel

Von Felix von Bredow

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Felix von Bredow ist Rechtsanwalt bei EY Law und im Bereich Gesellschaftsrecht sowie Mergers & Acquisitions tätig.