Vereinbarung von Ausschließlichkeitsbindungen
Das LkSG setzt außerdem für beide Seiten Anreize, möglichst starke Bindungen einzugehen. So erhöhen die Vorgaben des LkSG die Kosten für die Auswahl eines Zulieferers und machen einen Zuliefererwechsel für den Kunden aufwendiger. Auf der anderen Seite besteht bei den Zulieferern ein hohes Interesse, die sensiblen Daten zu Produktionsbedingungen nur möglichst wenigen Partnern offenzulegen. Dies wird die ohnehin bestehende Tendenz zur Vereinbarung langer Kündigungsfristen, hoher Mindestlaufzeiten und Mindestabnahme- bzw. Mindestliefermengen weiter verstärken. Je langfristiger solche Vereinbarungen geschlossen werden und je höher die vorgegebenen Abnahme- und Liefermengen sind, desto kartellrechtlich kritischer können damit gegebenenfalls verbundene Marktverschließungseffekte sein. Ob die Vereinbarungen aus kartellrechtlicher Sicht (noch) zulässig sind, bestimmt sich in der Regel nach der europäischen Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO), die erst in diesem Jahr vom Verordnungsgeber überarbeitet wurde und an einigen Stellen nun deutlich von der Vorgängerversion abweicht. Ist die Vertikal-GVO anwendbar und liegen die Marktanteile der Parteien auf den jeweils betroffenen Märkten nicht über 30 Prozent, sind Ausschließlichkeitsvereinbarung zulasten des Zulieferers („Alleinbelieferungsverpflichtung“) grundsätzlich erlaubt („freigestellt“). Soll die Vereinbarung zulasten des Kundenunternehmens in Form einer Alleinbezugsverpflichtung gelten, kann sie freigestellt sein, wenn die genannte Marktanteilsschwelle nicht überschritten wird und die Vereinbarung nicht mehr als 80 Prozent des Gesamtbezugs des Kunden umfasst. Liegt die Bezugspflicht darüber, kommt eine Freistellung nach der Gruppenfreistellungsverordnung nur in Betracht, wenn die Vereinbarung nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen wird oder innerhalb von maximal fünf Jahren gekündigt werden kann. Sind die Voraussetzungen der Vertikal-GVO nicht erfüllt, kommt eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB in Betracht.
Vereinbarung einer Preisbindung der zweiten Hand
Schließlich ist denkbar, dass die Zulieferer versuchen, die durch die Umsetzung des LkSG bezweckte Erhöhung der Produktqualität und vor allem die damit verbundenen Kosten auch durch angemessene Margen zu kompensieren und ein höheres Preisniveau im Markt zu etablieren. Hierzu können die Zulieferer weiterhin zulässig unverbindliche Preisempfehlungen abgeben. Die Kundenunternehmen müssen wie bisher aber frei bleiben, ihre Weiterverkaufspreise eigenständig zu bestimmen. Lediglich die Vorgabe von Höchstpreisen kann zulässig sein. Soweit die Zulieferer darüber hinaus die Preissetzung ihrer Abnehmer beeinflussen, liegt darin eine unzulässige Preisbindung der zweiten Hand.
Umsetzung im Horizontalverhältnis
Das LkSG setzt daneben auch Anreize für eine stärkere Kooperation auf horizontaler Ebene. Das betrifft zunächst eine Zusammenarbeit zwischen Kundenunternehmen, die auf Abnehmerseite zueinander im Wettbewerb stehen. § 7 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LkSG sieht explizit vor, dass Unternehmen sich zu Brancheninitiativen zusammenschließen können, um die Einflussmöglichkeiten bei Verletzungen einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht zu erhöhen. Zum anderen könnten Zulieferer untereinander Vereinbarungen zur Umsetzung des LkSG schließen.
Soweit entsprechende Vereinbarungen lediglich festhalten, dass sich die Beteiligten an die Vorgaben des LkSG halten werden, entspricht dies einer bloßen Bekräftigung des Rechtsgehorsams, die keine Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Sollen dagegen gemeinsame Standards etwa hinsichtlich eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements vereinbart werden, müssen diese transparent und diskriminierungsfrei sein und sollten möglichst durch einen entsprechenden Branchenverband, an dem die wesentlichen Wettbewerber beteiligt sind, erarbeitet werden. Außerdem dürfen die Beteiligten nicht zur Einhaltung dieses Standards verpflichtet werden. In jedem Fall unzulässig wäre etwa die Vereinbarung, nicht über die durch das LkSG bestimmten Vorgaben hinauszugehen.
Ebenso sind gemeinsame Abstimmungen zu Preis- und Mengenvorstellungen kartellrechtlich besonders kritisch. Wie wir bereits in den letzten beiden Ausgaben unseres Antitrust Newsletters berichteten, hat das Bundeskartellamt zwar signalisiert, dass es Nachhaltigkeitsaspekte, wie sie auch bei der Umsetzung des LkSG eine Rolle spielen, bei der kartellrechtlichen Bewertung berücksichtigen und in diesem Zusammenhang sogar befristete, einheitliche Preisaufschläge im Einzelfall tolerieren wird; das Amt hat aber gleichzeitig deutlich betont, dass eine Festsetzung auch nur einzelner Preisbestandteile oder der Austausch zu strategischen Informationen (insbesondere zu Preisen, Produktionskosten und Absatzmengen) auch zukünftig in der Regel nicht zulässig sind.
Denkbar ist jedoch, dass die Unternehmen solche Informationen austauschen, die die Auswahl eines LkSG-konformen Zulieferbetriebs erleichtern. So könnten etwa Risikoprofile für einzelne Zulieferer ausgetauscht werden, die keine quantitativen Informationen enthalten, sondern lediglich Zusammenfassungen und Wahrscheinlichkeitsaussagen. Die Ermittlung der Profile muss transparent und diskriminierungsfrei sein und auf Freiwilligkeit basieren. Auch die konkret getroffene Auswahlentscheidung eines Unternehmens sollte dabei weder final bestimmt noch über diesen Umweg offengelegt werden.