4 Minuten Lesezeit 25 August 2021
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Mehr Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft

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Zweites Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) in Kraft

Überblick
  • Mit Verkündung im Bundesgesetzblatt 2015 ist das zweite Führungspositionen-Gesetz in Kraft getreten, das für ausgewählte große Unternehmen die Vorgaben für eine geschlechtergerechtere Besetzung von Führungspositionen nachschärft. 
  • Insbesondere werden erstmals auch für den Vorstand eine Mindestbeteiligung von Frauen und Männern eingeführt und die Berichtspflichten zur geschlechterspezifischen Besetzung von Führungspositionen deutlich erweitert.

Mit dem am 1. Mai 2015 in Kraft getretenen Gesetz über die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (BGBl. I, S. 642, „Erstes Führungspositionen-Gesetz“, „FüPoG I“) wurden erstmals verbindliche Besetzungsregeln für aufgrund Größe und Bedeutung herausgehobene Unternehmen der deutschen Privatwirtschaft etabliert, nach denen das Geschlecht der Organmitglieder in gewissem Rahmen bei Bestellungen zu berücksichtigen ist. Zuvor bestanden allein dahin gehende, nicht zwingende Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).

Mit dem am 11. August 2021 im Bundesgesetzblatt verkündeten Zweiten Führungspositionen-Gesetz (Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, BGBl. 2021, Teil I, Nr. 51, ausgegeben zu Bonn am 11. August 2021, S. 3311, „FüPoG II“) werden die Bestimmungen nunmehr in Teilen nachgeschärft, nachdem eine Evaluierung der Umsetzung des FüPoG I durch die Praxis im Jahr 2017 aus Sicht des Gesetzgebers sowohl Licht als auch Schatten zutage gefördert hatte. Während sowohl die Bestimmung der Adressatenkreises als auch die Systematik beibehalten werden, sind als neue Elemente insbesondere die folgenden zu nennen:

(1) eine zwingende Mindestbeteiligung von Frauen und Männern im Vorstand – mindestens je ein Mann und eine Frau – bei aus mindestens vier Mitgliedern bestehenden Vorständen paritätisch mitbestimmter börsennotierter Gesellschaften, 
(2) die Erweiterung der Berichtspflichten zu Gründen für die Wahl einer bestimmten selbst gesetzten flexiblen Quote für den Frauenanateil in Vorstand, Aufsichtsrat und auf den zwei höchsten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und dem diesbezüglichen Zielerreichungsgrad, und
(3) eine Art Anspruch auf Auszeit für Vorstandsmitglieder bei Vorliegen eines wichtigen persönlichen Grundes (z. B. Elternzeit, Pflege eines Verwandten) des Inhalts, dass das Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Abberufung und spätere Wiederbestellung hat.

Im Folgenden werden die beschriebenen Anpassungen für Unternehmen der Privatwirtschaft überblicksartig dargestellt. Die Darstellung beschränkt sich auf die Konsequenzen für Unternehmen der Privatwirtschaft (ohne Mehrheitsbeteiligung des Bundes), auf die gleichzeitig verabschiedeten neuen Regelungen für den öffentlichen Dienst kann an dieser Stelle nur verwiesen werden.

Grundsätzliche Systematik

Die grundsätzliche Systematik des FüPoG I wird durch die Neuregelung nicht modifiziert. Weiterhin enthält das Gesetz Vorgaben für die Besetzung von
(1) Aufsichtsräten bzw. Verwaltungsräten (monistische SE),
(2) Geschäftsleitungsorganen sowie
(3) den ersten beiden Führungsebenen unterhalb des gesetzlichen Geschäftsleitungsorgans.
Weiterhin bleibt es dabei, dass die Vorgaben allein auf Gesellschaften Anwendung finden, die (paritätisch) mitbestimmt sind und/oder börsennotiert im Rechtssinn. 
(4) Liegen Börsennotierung und paritätische Mitbestimmung kumulativ vor, findet ein in Teilen verschärftes Regime Anwendung.

Anwendungsbereich: börsennotierte und/oder (paritätisch) mitbestimmte Gesellschaften

Keine Änderungen sieht das FüPoG II bezüglich des grundsätzlichen Adressatenkreises vor. Die spezifischen Vorgaben zur geschlechtergerechten Besetzung von Führungspositionen bleiben ein Sonderrechtsregime für große Unternehmen. Anwendungsvoraussetzung ist weiterhin, dass die betroffene Gesellschaft entweder (paritätisch) mitbestimmt oder aber börsennotiert ist; liegen Parität und Börsennotierung kumulativ vor, greifen erhöhte Anforderungen. Den sowohl auf europäischer (Überarbeitung der CSR-Richtlinie) als auch auf nationaler Ebene (Sorgfaltspflichten- bzw. Lieferkettengesetz) zu beobachtenden Trend, Gesetze im Zeitablauf auch auf kleinere Unternehmen auszurollen, hat das FüPoG II nicht aufgegriffen.

Erfasste Rechtsformen

Zu den von den Neuregelungen erfassten Rechtsformen gehören Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), Europäische Gesellschaft (SE), GmbH, eingetragene Genossenschaft (eG), Europäische Genossenschaft (SCE) und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG).

(Paritätisch) Mitbestimmte Gesellschaften

Die Sondervorschriften setzen teilweise voraus, dass es sich um mitbestimmte, und teilweise, dass es sich um paritätisch mitbestimmte Gesellschaften handelt. Erfasst sind damit generell Gesellschaften, deren Mitbestimmungsstatut sich nach dem Mitbestimmungsgesetz (Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer – MitbestG), dem Montanmitbestimmungsgesetz (Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie – MontanMitbestG) oder dem Montanmitbestimmungsergänzungsgesetz (Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie – MontanMitbestGErgG) richtet. Nur soweit die Tatsache der Mitbestimmung an sich für die Anwendung ausreicht, sind auch die Gesellschaften erfasst, deren Mitbestimmung sich nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat – DrittelbG) richtet.

Nur im Ausgangspunkt Besonderheiten gelten für Europäische Gesellschaften (SE). Da sich deren Mitbestimmung entweder nach der Beteiligungsvereinbarung (§ 21 SEBG) oder nach der gesetzlichen Auffangregelung richtet und diese zumindest theoretisch von einer nach deutschem Mitbestimmungsrecht bestehenden Parität oder Drittelbeteiligung abweichen können, ist hier zu prüfen, ob faktisch Parität bzw. Drittelbeteiligung besteht, ob also das Leitungs- oder Verwaltungsorgan aus derselben Anzahl Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter bzw. aus einem Drittel Arbeitnehmervertreter besteht.

Börsennotierte Gesellschaften

Börsennotiert im genannten Sinne sind Gesellschaften, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist (§ 3 Abs. 2 AktG). Börsennotiert sind damit allein Unternehmen, deren Aktien zum Handel am regulierten Markt zugelassen sind; nicht erfasst sind Gesellschaften, deren Aktien nur in den (qualifizierten) Freiverkehr (Open Market) einbezogen sind.

Die Neuregelungen im Einzelnen

Zusammensetzung des Geschäftsleitungsorgans

Für die Besetzung des Vorstands und weiterer Geschäftsleitungsorgane waren unter Geltung des FüPoG I allein eine flexible, durch die Gesellschaft selbst festzusetzende Zielquote und begleitende Berichtspflichten in der Erklärung zur Unternehmensführung vorgesehen. Das FüPoG II sieht diesbezüglich insoweit Änderungen vor, als nunmehr für paritätisch mitbestimmte börsennotierte Gesellschaften, deren Vorstand aus mindestens vier Mitgliedern besteht, eine zwingende Mindestquote eingeführt wird. Gleichzeitig werden die Berichtspflichten bezüglich der Zielgröße für die unternehmensspezifische flexible Quote erweitert bzw. verschärft.

Feste Mindestquote für Vorstände börsennotierter paritätisch mitbestimmter Gesellschaften

Für Gesellschaften, deren Aktien zum Börsenhandel zugelassen sind und die gleichzeitig paritätisch mitbestimmt sind, wird nunmehr eine zwingende geschlechterspezifische Zusammensetzung ihres Vorstands vorgeschrieben. Besteht der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft, die gleichzeitig einem paritätisch Mitbestimmungsstatut unterliegt, aus mindestens vier Personen, so müssen nunmehr mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied des Vorstands sein (§ 76 Abs. 3a Satz 1 AktG, § 16 Abs. 2 SEAG n. F.). Trägt eine Bestellung dieser zwingenden Besetzungsregel nicht Rechnung, ist die Bestellung nichtig (§ 76 Abs. 3a Satz 2 AktG n. F.). Die Vorgaben für die geschlechtergerechte Zusammensetzung des Vorstands setzen zwingend die Börsennotierung voraus, sodass allein eigenkapitalmarktfähige Rechtsformen – Aktiengesellschaft, Europäische Gesellschaft (SE) oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) – erfasst werden. Im seltenen Fall einer monistischen mitbestimmten SE ist die Vorgabe bei der Bestellung der geschäftsführenden Direktoren durch den Verwaltungsrat zu beachten. Von einer Übertragung auf Geschäftsleitungsorgane anderer Rechtsformen hat der Gesetzgeber abgesehen.

Eine fixe prozentuale Quote nach der Parallelregelung für den Aufsichtsrat börsennotierter paritätisch mitbestimmter Gesellschaften (§ 96 Abs. 2 AktG) ist demgegenüber für den Vorstand bzw. die geschäftsführenden Direktoren auch weiterhin nicht vorgesehen. Verlangt wird unabhängig von der tatsächlichen Größe des mindestens vierköpfigen Geschäftsleitungsorgans lediglich die Beteiligung jeweils einer Frau und eines Mannes. Im Übrigen bleibt es bei der dem Aufsichtsratsermessen überantworteten flexiblen Quote (siehe sogleich).

In der Erklärung zur Unternehmensführung ist zu berichten, ob die Mindestbeteiligungsvorgaben eingehalten wurden, bzw. es sind die Gründe für ihre Nichteinhaltung zu nennen. Verletzungen der Berichtspflicht können als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden.

Flexible Quote für Vorstände börsennotierter und/oder mitbestimmter Gesellschaften

Daneben bleibt die Verpflichtung des Aufsichtsrats, eine flexible Quote für den Frauenanteil im Vorstand festzulegen, die auch für nur börsennotierte und nur mitbestimmte Gesellschaften gilt, im Grundsatz bestehen und wird nur in Details nachgeschärft. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat selbst eine im Ausgangspunkt frei wählbare Zielquote für die geschlechtergerechte Besetzung des Vorstands bzw. der Geschäftsführung festzusetzen. Dieser kommt insoweit Bindungswirkung zu, als ein einmal erreichtes Niveau vor Erreichen der Zielquote in der Zukunft nicht wieder unterschritten werden darf (Verschlechterungsverbot). Über das bisherige Recht hinausgehend muss nicht mehr allein eine Zielgröße für den Anteil an Frauen, sondern auch für deren absolute Zahl benannt werden. Wie bisher sind daneben Fristen für die Zielerreichung zu benennen, die einen Zeitraum von fünf Jahren nicht überschreiten dürfen. Für monistische SEs gilt wiederum, dass die Quote für die geschäftsführenden Direktoren durch den Verwaltungsrat festgelegt wird, bei drittelmitbestimmten Gesellschaften mbH für die Geschäftsführer grundsätzlich durch die Gesellschafterversammlung.

Jenseits der eventuell anwendbaren Besetzungsregel, dass mindestens ein Mitglied des Vorstands eine Frau und mindestens eines ein Mann sein muss, bleibt die Festlegung der konkreten Höhe der Zielquote selbst der Entscheidung des Aufsichtsrats (Verwaltungsrat, Gesellschafterversammlung) überantwortet. Insbesondere ist es auch weiterhin zulässig, eine Zielquote von null bzw. null Prozent festzusetzen.

Da allerdings eine Evaluierung des FüPoG I ergeben hat, dass sich gerade diese Zielgröße von null für den Frauenanteil im Vorstand bzw. in der Geschäftsführung – entgegen den offensichtlichen Intentionen des historischen Gesetzgebers – in der Praxis besonderer Beliebtheit erfreut, werden die Berichts- und Begründungspflichten für die flexible Quote deutlich verschärft. Bisher war in der Berichterstattung allein die Zielquote anzugeben, ob diese erreicht wurde und wenn nicht, aus welchen Gründen. Wurde, wie verbreitet, unter diesen Voraussetzungen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die wenig ambitionierte Zielgröße null Prozent zu wählen, konnte in der Erklärung zur Unternehmensführung entsprechend berichtet werden, dass die eigenen Ziele erreicht worden seien, weiter gehende Erläuterungen waren nicht erforderlich. Dieser Usus wird mit der Neufassung unzulässig. Auch wenn es Unternehmen weiterhin offensteht, eine Nullquote festzusetzen, muss dies nunmehr explizit angegeben und gleichzeitig begründet werden, weshalb man als Zielgröße null Prozent gewählt hat. Die Begründung des Regierungsentwurfs legt für den Umfang dieser Begründung eine Länge von i. d. R. 100 bis 150 Wörtern nahe. Eine fehlerhafte Berichterstattung kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Zusammensetzung des Aufsichtsrats

Wie nach bisherigem Recht ist es für die Anforderungen an eine geschlechtergerechte Zusammensetzung des Aufsichtsrats entscheidend, ob die Gesellschaft (1)
paritätisch mitbestimmt und kumulativ börsennotiert oder die (2) Gesellschaft entweder nur (paritätisch) mitbestimmt oder nur börsennotiert ist.

Paritätisch mitbestimmte börsennotierte Gesellschaften: „starre Quote“

Im Ausgangspunkt unverändert bleibt die Rechtslage bei börsennotierten Gesellschaften, die gleichzeitig der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Hier gilt weiterhin die sogenannte starre Quote von 30 Prozent. Der Aufsichtsrat hat sich danach zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens 30 Prozent aus Männern zusammenzusetzen. Das 30-Prozent-Kriterium ist durch den Aufsichtsrat insgesamt zu erfüllen, nicht jeweils durch beide „Bänke“ (Aktionärsvertreter einerseits, Arbeitnehmervertreter andererseits), soweit dem nicht aus dem Aufsichtsrat widersprochen wird. Aufgrund des Erfordernisses der Zulassung der Aktien zum Handel an einem regulierten Markt sind auch insoweit nur Gesellschaften in der Rechtsform der AG, SE oder KGaA erfasst. Bei paritätisch mitbestimmten monistischen SEs ist die Quote im Verwaltungsrat zu erfüllen.

Nur (paritätisch) mitbestimmte bzw. nur börsennotierte Gesellschaften: zu begründende flexible Quote

Für Gesellschaften, die entweder nur paritätisch mitbestimmt oder aber nur börsennotiert i. S. d. § 3 Abs. 2 AktG sind, gilt demgegenüber bisher und auch weiterhin eine flexible Quote. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat selbst eine im Ausgangspunkt frei wählbare Zielquote für seine geschlechtergerechte Besetzung festzusetzen. Dieser kommt insoweit Bindungswirkung zu, als ein einmal erreichtes Niveau vor Erreichen der Zielquote in der Zukunft nicht wieder unterschritten werden darf (Verschlechterungsverbot). Neu ist auch hier, dass der Zielwert nicht mehr allein in Prozent, sondern auch als absoluter Zahlenwert anzugeben ist.

Das FüPoG II erweitert auch diesbezüglich die Berichts- und Begründungspflichten. Ursächlich ist auch insoweit der forensische Befund, dass die betroffenen Unternehmen bzw. Gesellschaften besonders häufig eine Zielquote für den Anteil von Frauen von null Prozent gewählt hatten – ersichtlich in der Absicht, sich größtmögliche Flexibilität bei der Besetzung von Führungspositionen zu erhalten. Parallel zur flexiblen Quote für den Vorstand ist deshalb insbesondere die Wahl einer Zielquote von null bzw. null Prozent ausdrücklich anzugeben und zu begründen. Eine fehlerhafte Berichterstattung kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

Erste und zweite Führungsebene unterhalb des Vorstands

Im Grundsatz unverändert bleiben auch die inhaltlichen Vorgaben für die zwei Führungsebenen unterhalb des Vorstands, die sowohl für börsennotierte als auch für paritätisch mitbestimmte Gesellschaften anzuwenden sind, das kumulative Vorliegen beider Kriterien ist insoweit nicht Voraussetzung. Schon bisher gilt, dass der Vorstand – in Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion – für diese beiden Ebenen Zielgrößen für den Anteil an Frauen zu benennen hat. Zukünftig ist ergänzend zum Frauenanteil auch die beabsichtigte (absolute) Anzahl für jede Führungsebene anzugeben. Im Übrigen bleibt es materiell dabei, dass dann, wenn der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent liegt, die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten dürfen.

Auch für die Führungsebenen unterhalb des Vorstands reagiert das FüPoG II auf die verbreitete Praxis, eine Zielquote von null bzw. null Prozent festzulegen. Wenn für den Frauenanteil auf einer der beiden Führungsebenen die Zielgröße null ist, hat der Vorstand diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen (§ 76 Abs. 4 Abs. Sätze 2 u. 3 AktG).

Auch insoweit wird die handelsrechtliche Berichtspflicht erweitert. Die Erklärung zur Unternehmensführung der Gesellschaften, die Zielgrößen für den Frauenanteil und Fristen für deren Erreichung festlegen und die Festlegung der Zielgröße null begründen müssen, hat zum Pflichtinhalt diese Festlegungen und Begründungen, die Angabe, ob die festgelegten Zielgrößen während des Bezugszeitraums erreicht worden sind, und bei Nichterreichen Angaben zu den Gründen (§ 289 Abs. 4 Nr. 4 HGB).

Sogenanntes Recht auf Mandatspause („# stayonboard“)

Eine echte Neuerung im Vergleich zum FüPoG ist das neu eingeführte Recht eines jeden Mitglieds eines aus mehreren Personen bestehenden Geschäftsleitungsorgans, den Aufsichtsrat um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann (§ 84 Abs. 3 AktG n. F.). Grundsätzlich ist der Aufsichtsrat in diesem Fall verpflichtet, das vorübergehend ausscheidende Vorstandsmitglied nach dem Wegfall der besonderen Situation wieder zu bestellen. Die Neuregelung zielt darauf, Organmitglieder, die aus bestimmten persönlichen Gründen vorübergehend ihr Mandat nicht ausüben können, für diesen Übergangszeitraum von den bei fortdauernder Bestellung grundsätzlich weiter geltenden Pflichten und damit verbundener Haftung zu entlasten. Aus Sicht des Vorstandsmitglieds lassen sich damit gleichzeitig die Unsicherheiten verhindern, die ein unbedingter Widerruf mit bloßer Expektanz auf eine erneute Berufung hat.

Anwendbarkeit der Neuregelungen

Das FüPoG II ist am 12. August 2021 in Kraft getreten, die einzelnen neuen Vorgaben treten allerdings nicht sämtlich sofort in Kraft.
Die ergänzten Anforderungen an die Festlegung flexibler Quoten für eine geschlechtergerechte Zusammensetzung von Vorstand, Aufsichtsrat und die ersten beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands gelten ab sofort, sind also bei der nächsten Festlegung der Zielquoten und absoluten Zielzahlen zu berücksichtigen. Bestehende Zielvereinbarungen, deren Laufzeit noch nicht beendet ist, müssen demgegenüber nicht an die neuen Vorgaben angepasst werden.

Die Mindestquote im Vorstand börsennotierter paritätisch mitbestimmter Gesellschaften, wonach bei mindestens vier Vorstandsmitgliedern mindestens ein Vorstandsmitglied eine Frau und ein Vorstandsmitglied ein Mann sein muss, gelten für ab dem 1. August 2022 erfolgende Bestellungen. Auf bereits zuvor erfolgte Bestellungen haben die neuen Vorgaben keine Auswirkungen, bestehende Mandate können also – auch wenn sie noch nicht den neuen Anforderungen genügen – bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden (§ 26l EGAktG).

Die ergänzten Berichtspflichten bezüglich der Zielgröße für die flexiblen Quoten betreffend den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und auf den Führungsebenen 1 und 2 unterhalb des Vorstands sind auf Erklärungen zur Unternehmensführung für nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden (Art. 87 EGHGB).

Fazit

Zwingende "Quotenregelungen" werden in der rechtspolitischen Diskussion bekanntlich überaus kontrovers diskutiert und sind trotz zahlreicher empirischer Arbeiten immer noch zu einem Gutteil Glaubensfrage. Es kann allerdings nicht überraschen, dass der Gesetzgeber auf die aus Unternehmenssicht nachvollziehbare Praxis, sich durch Wahl einer Zielquote von 0% für den Frauenanteil im Vorstand maximale Handlungsfreiheit zu erhalten, reagiert hat. Zu begrüßen ist allerdings auch, dass der Adressatenkreis der betroffenen Unternehmen nicht erweitert wurde. Wie die zahlreichen Differenzierungen zwischen den einzelnen Rechtsformen, die hier nur ansatzweise diskutiert werden konnten, zeigen, ist die praktisch Implementierung einer vermeintlich selbsterklärenden Vorgabe wie einer Quote überaus komplex.

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