4 Minuten Lesezeit 27 April 2021
Brennstoffemission

Nationaler Emissionshandel nach dem BEHG und Carbon Leakage

Von Sebastian Helmes

Director | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Sebastian Helmes ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei EY Law mit den Schwerpunkten Energie- und Umweltrecht.

4 Minuten Lesezeit 27 April 2021

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Wie ist der Stand und wie geht es weiter?

Überblick
  • Das nationale Emissionshandelssystem ist zu Beginn des Jahres gestartet. 
  • Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) sind die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die Freisetzung von CO2 durch den Verbrauch von Brennstoffen einen Preis bekommt, indem kostenpflichtige Zertifikate abzugeben sind.

Viele Details sind noch nicht geklärt, weil es an den erforderlichen Ausführungsregelungen fehlt. Dies betrifft unter anderem die Carbon-Leakage-Verordnung, die die Bundesregierung nach langem Tauziehen Ende März beschlossen hat und der der Bundestag noch zustimmen muss. Aber auch andere Verordnungen fehlen noch. Anlass für einen Werkstattbericht.

Die Grundsätze des nationalen Emissionshandels

Von 2021 bis 2025 sieht das Gesetz einen jährlich steigenden Festpreis pro Tonne CO2 vor. Die Festlegung solcher Preise war von Anfang an Gegenstand politischer Diskussionen. Noch bevor der nationale Emissionshandel mit Beginn des Jahres 2021 startete, wurden die gesetzlichen Festpreise im BEHG durch Gesetzesänderung im Jahr 2020 verschärft. Ab 2026 werden die CO2-Zertifikate im Wege der Auktion versteigert, wobei für einen Übergangszeitraum noch ein Preiskorridor mit Mindest- und Maximalpreis vorgesehen ist.

Grundsätzlich unterliegen alle Brennstoffe, die auch vom Energiesteuergesetz erfasst sind, dem nationalen Emissionshandel. Für die Jahre 2021 und 2022 sind die Berichts- und die Abgabepflicht jedoch zunächst auf das Inverkehrbringen von Ottokraftstoffen, Diesel, Erdgas und Heizöl beschränkt.

Ein signifikanter Unterschied zum europäischen Emissionshandel ist, dass das nationale Emissionshandelssystem einen „Upstream“-Ansatz verfolgt: Verpflichtet, Zertifikate zu kaufen und abzugeben, sind nicht die Verbraucher der Brennstoffe, sondern diejenigen Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen oder liefern. Weiterhin zum Kauf von Zertifikaten verpflichtet sind Erdgaslieferanten auf der letzten Handelsstufe, die das Erdgas dem verbrauchenden Unternehmen oder dem Letztverbraucher liefern. Bei Mineralölprodukten sind die Inverkehrbringer auf der ersten Handelsstufe zum Kauf verpflichtet und damit die Produzenten oder Importeure. Nach Schätzung der Bundesregierung werden insgesamt etwa 4.000 Unternehmen am nationalen Emissionshandel in Deutschland teilnehmen.

Weiterer Ausgestaltungsbedarf

Auch wenn damit die Grundlagen feststehen, ist doch vieles derzeit noch unklar. Denn das BEHG enthält – und dies ist durchaus bemerkenswert – stolze 13 Verordnungsermächtigungen. Allein diese Zahl lässt erahnen, dass es nicht nur unwichtige technische Details sind, die ihrer Ausgestaltung im Verordnungswege harren. Das wirft Fragen nach der Praxistauglichkeit und dem Sinn einer derart überbordenden Regulierungsbürokratie auf. Jedenfalls dürfte das Gesetz so kaum praktisch umsetzbar sein – oder zumindest nicht so, wie es eigentlich sein sollte.

Das Problem ist zudem, dass die Verordnungen zum großen Teil noch auf sich warten lassen – und um ihre Inhalte gerungen wird. Pünktlich noch vor dem Jahreswechsel waren lediglich zwei Ausführungsverordnungen in Kraft getreten, die nur einen kleinen Teil dessen regeln, was in den Ermächtigungen vorgesehen ist.

Die Brennstoffemissionshandelsverordnung (BEHV) ist die zentrale Durchführungsverordnung zur Umsetzung der zahlreichen Verordnungsermächtigungen im BEHG. Derzeit enthält die BEHV lediglich Regelungen zum Verkauf der Emissionszertifikate und zum nationalen Emissionshandelsregister. Die Emissionsberichterstattungsverordnung 2022 (EBeV 2022) legt die Regelungen zur Überwachung, Ermittlung und Berichterstattung in der Anfangsphase 2021 und 2022 fest. Zentral ist die Festlegung der Emissionsfaktoren, die für die in Verkehr gebrachten Brennstoffe anzusetzen sind und die letztlich über die Höhe der Abgabepflicht bestimmen.

Für Industrieanlagen, die bereits am Europäischen Emissionshandel teilnehmen und mit Erdgas betrieben werden, besonders relevant ist die Regelung des Verfahrens zur Vermeidung einer doppelten CO2-Preisbelastung. Der verpflichtete Erdgaslieferant erhält die Möglichkeit, die Erdgasmengen, die an solche Anlagen geliefert worden sind, von den zu berichtenden Brennstoffemissionen abzuziehen. Die Lieferung und der Verbrauch der Anlage müssen durch den Lieferanten und das belieferte Unternehmen nach den Vorgaben der Verordnung nachgewiesen werden.

Was noch fehlt

Damit ist längst noch alles geregelt, was zum Funktionieren des nationalen Emissionshandels erforderlich ist. Ein zentraler Baustein ist die Carbon-Leakage-Verordnung, die die Bundesregierung Ende März beschlossen hat. Der Bundestag muss allerdings noch zustimmen.

Hinter dem Begriff „Carbon Leakage“, der bereits aus dem Europäischen Emissionshandel bekannt ist, ist das Risiko einer Produktionsverlagerung durch betroffene Unternehmen in Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen zu verstehen. Dass dies verhindert werden soll, liegt auf der Hand. Schließlich nutzen Vorschriften, die dazu führen, dass Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, wo der Ausstoß von CO2 mit weniger Kosten belegt ist, weder dem Klima noch der Wirtschaft. Auch wenn im Grundsatz Konsens darüber herrscht, dass Entlastungsregelungen erforderlich sind, und man durchaus auf die Erfahrungen aus dem Europäischen Emissionshandel zurückgreifen kann, ist die konkrete Ausgestaltung Gegenstand heftiger Diskussionen.

Der Kreis der antragsberechtigten Unternehmen entspricht dem im Europäischen Emissionshandel. Jedes Unternehmen, das einem Sektor angehört, der in der EU-Carbon-Leakage-Liste steht, ist auch im nationalen Emissionshandel antragsberechtigt. Dass dies ausreicht, wird von manchem Betroffenen bezweifelt, schließlich sind vom nationalen Emissionshandel deutlich mehr Branchen betroffen und insbesondere der Mittelstand viel flächendeckender einbezogen, als dies beim Europäischen Emissionshandel der Fall ist.

Frist zur Antragsstellung ist – ähnlich wie bei der Besonderen Ausgleichsregelung nach BEHG – der 30. Juni jedes Jahres. Die Korrektheit der sachlichen Angaben im Antrag muss durch Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers bestätigt werden. Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als 10 Mio. kWh müssen ein zertifiziertes Energiemanagementsystem betreiben, für Unternehmen mit geringerem Verbrauch gibt es Erleichterungen: Hier reichen auch ein nicht zertifiziertes Energiemanagementsystem oder die Mitgliedschaft in einem Effizienznetzwerk aus.

Die Kompensation beträgt – je nach Belastung des Unternehmens – zwischen 65 und 95 Prozent der Mehrkosten. Bei der Verwendung der Kompensation sind die Unternehmen allerdings nicht frei. Bereits die gesetzliche Ermächtigung in § 11 Abs. 3 BEHG schreibt vor, dass die Entlastung vorrangig für klimafreundliche Maßnahmen verwendet werden muss. An dieser Stelle war offener Streit über die Frage ausgebrochen, zu welchem Anteil die Unternehmen verpflichtet werden sollen, die Kompensationen, die sie erhalten, für Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden. Die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung sieht nun eine zeitliche Staffelung vor: Ab 2023 müssen zunächst zu 50 Prozent der Entlastung in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden, ab 2025 sind es mindestens 80 Prozent.

Begonnen haben auch die Arbeiten zur „Cap-Setting-Verordnung“, in der die Emissionsobergrenzen für den nationalen Emissionshandel festgelegt werden sollen. Zwar ist in der zunächst geltenden „Festpreisphase“ des nationalen Emissionshandels bis 2025 noch kein Gesamtbudget für die Ausgabe der Zertifikate vorgesehen, sodass die Berechtigungen zunächst ohne Mengensteuerung nach Bedarf ausgegeben werden; gleichwohl ist die verbindliche Obergrenze für Deutschland aus der EU-Klimaschutzverordnung zu beachten. Wird sie überschritten, muss Deutschland Maßnahmen ergreifen, wozu auch der Zukauf von Emissionszuweisungen aus anderen EU-Staaten gehört. Die Einzelheiten soll die Cap-Setting-Verordnung festlegen. Hier ist noch vieles ungeklärt. So ist offen, ob und wie solche Mengen mit den Zielen des Bundesklimaschutzgesetzes und dem regulären Zukaufsbedarf über die EU-weite „Effort Sharing Regulation“ verrechnet werden.

Fazit

Politisch gänzlich offen ist zudem das Thema „Begrenzung der Umlagefähigkeit des CO2-Preises für Vermieter“. Denn die zusätzlichen Brennstoffkosten lassen mittelbar auch die Bruttomieten bzw. die Nebenkosten steigen. Das Thema ist noch umstritten und würde bei Weiterverfolgung einige komplexe Rechtsänderungen auslösen. Eine Begrenzung der Weitergabe stünde auch in einem Spannungsfeld zur Frage, welche Kosten für Modernisierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz weitergegeben werden können. Es erscheint zweifelhaft, dass diese Thematik noch in der laufenden Legislaturperiode geregelt wird.

Es sind also noch einige Weichen im nationalen Emissionshandel zu stellen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Über diesen Artikel

Von Sebastian Helmes

Director | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Sebastian Helmes ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei EY Law mit den Schwerpunkten Energie- und Umweltrecht.