Energieversorgungsunternehmen („EVU“) sind derzeit in einer Sandwich-Position: Einerseits steigen die Gasbezugspreise erheblich, andererseits können diese Preissteigerungen nicht ohne weiteres an die Kunden weitergegeben werden. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ebenso wie auf den anwendbaren vertraglichen, gesetzlichen oder regulatorischen Rechtsrahmen an.
Vertragliche Preisanpassung
Ausgangspunkt der Prüfung sind die in den Versorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die AGB enthalten teilweise Preisanpassungsklauseln, die potenziell eine Anpassung der Preise und somit die Weitergabe von erhöhten Beschaffungskosten zu einem gewissen Grad ermöglichen. Abzugrenzen sind die Beschaffungskosten von nicht beeinflussbaren Kostenbestandteilen, wie Umlagen, Steuern und Netzentgelten, welche das EVU nicht selbst festlegt, sondern lediglich eins zu eins an den Kunden weitergibt.
Keine Gasmangellage und gesetzliche Preisanpassungen
Ist eine Preisanpassung über die AGB nicht möglich und ist keine Gasmangellage festgestellt, kann eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB vorliegen. Abhängig vom Einzelfall setzt dies voraus, dass eine schwerwiegende Veränderung der dem Vertragsschluss zugrundeliegenden Umstände vorliegt, die Parteien den Vertrag unter diesen Umständen nicht geschlossen hätten, sofern sie diese Veränderung vorausgesehen hätten und das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. Vergleichbares gilt häufig im Fall vertraglicher Wirtschaftsklauseln, die dann vorrangig zu betrachten sind. Daraus folgt auch: Werden jetzt Verträge in Kenntnis der Umstände abgeschlossen und keine besonderen Vertragsklauseln aufgenommen, ist der Weg der Preisanpassung über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zukünftig versperrt.
Gasmangellage und gesetzliche Preisanpassungen
Auf EVU-Seite hat eine große Bedeutung, ob die Bundesnetzagentur („BNetzA“) eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen – Gasmangellage - nach Deutschland feststellen wird. Sollte dies geschehen, können nach § 24 EnSiG Gaslieferanten entlang der Lieferkette Gaspreise gegenüber ihren jeweiligen Kunden auf ein angemessenes Niveau anpassen – unabhängig von den vertraglichen Regelungen und etwaigen Preisgarantien. Die Regelung war erst bei der Anpassung des EnSiG im Frühjahr 2022 ins Gesetz aufgenommen worden. Das neue Preisanpassungsrecht stößt jedoch in Fachkreisen auf Kritik. So ist beispielsweise unklar, wie die Angemessenheit von Preiserhöhungen in der Lieferkette berechnet und nachprüfbar gemacht werden kann. „Die Lieferkette“ gibt es in der Praxis jedenfalls nicht in einer so leicht nachvollziehbaren Form. Deine strukturierte Beschaffung und das Zusammenspiel etlicher Beschaffungsoptionen ist die Regel. In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause beschlossen Bundestag und Bundesrat daher mehrere Änderungen des EnSiG. Der neue § 26 EnSiG ermöglicht es, an die Stelle der Preisanpassungsrechte nach § 24 EnSiG ein durch eine saldierte Preisanpassung finanziellen Ausgleich treten zu lassen. Erlässt die Bundesregierung eine diesbezügliche Rechtsverordnung ist eine Preisanpassung nach § 24 EnSiG ausgeschlossen. Insbesondere sollen mit der neuen Regelung die Mehrkosten der Gasimporteuere ausgeglichen werden. Über die Bilanzkreise sollen sie auf vertraglicher Grundlage als Umlage auf die Gaskunden weitergewälzt werden. Ob alle Unternehmen ihrerseits die Umlage weiterwälzen können, ist erneut eine schwierige Frage. Dies hängt von den verwendeten Steuer- und Abgabenklauseln ab.
Da das Anpassungsrecht in § 24 EnSiG nur für die Gaspreise und nicht für Produkte gilt, die auf einem Gaseinsatz basieren (z. B. industrielle Produkte, Strom) wurde zudem eine Ergänzung der AVBFernwämeV auf den Weg gebracht.