3 Minuten Lesezeit 5 August 2022
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Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union

Autoren
Bärbel Kuhlmann

Partnerin | Regional Lead Partner EY Frankfurt/Central | Rechtsanwältin | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Bärbel Kuhlmann ist Rechtsanwältin und Regional Lead Partner bei EY Frankfurt/Central.

Priscila Luz Barreiros

Associate | Rechtsanwältin | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Priscila Luz Barreiros ist Rechtsanwältin bei EY Law und im Bereich Arbeitsrecht tätig.

3 Minuten Lesezeit 5 August 2022
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Was ändert sich und welche Auswirkungen haben diese Änderungen in der Praxis?

Überblick
  • Im April hat die Bundesregierung einen Entwurf (20/1636) für das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (im Folgenden: „Arbeitsbedingungenrichtlinie“) vorgelegt, das zum 1. August 2022 in Kraft treten soll.
  • Ziel der Arbeitsbedingungenrichtlinie ist es, die Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union durch transparentere und vorhersehbarere Beschäftigungen zu verbessern und die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu gewährleisten. Dafür sieht die Richtlinie eine Vielzahl von Maßnahmen und Pflichten vor.
  • Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Arbeitsbedingungenrichtlinie bis zum 31. Juli 2022 in nationales Recht umzusetzen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht dies durch Änderungen mehrerer Gesetze vor.

Die meisten Änderungen sieht der Gesetzentwurf im NachwG vor. In § 2 NachwG sollen die Nachweispflichten von Arbeitgebern ergänzt und ihnen zum Teil neue Informationspflichten auferlegt werden. Insbesondere das vorgesehene Enddatum eines Arbeitsverhältnisses, der Hinweis auf freie Wahl des Arbeitsortes, die Dauer der Probezeit, die Vergütung von Überstunden sowie die Vereinbarung von Ruhepausen und Schichtarbeit müssen – sofern zwischen den Parteien vereinbart – zukünftig schriftlich niedergelegt, unterschrieben und dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden.

Neue Nachweis- und Informationspflichten

Bei Schichtarbeit sollen sowohl das Schichtsystem und der Schichtrhythmus als auch gegebenenfalls die Voraussetzungen für Schichtänderungen schriftlich vereinbart werden.

Weiterhin soll der Arbeitgeber künftig verpflichtet sein, das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren wie das Schriftformerfordernis einer Kündigung nach § 623 BGB und die geltenden Kündigungsfristen für beide Parteien sowie die entsprechenden Fristen zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch schriftlich niederzulegen, zu unterschreiben und den Beschäftigten auszuhändigen. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, hat er mit einer Geldbuße von bis zu 2.000 Euro (s. Abschnitt „Sanktionen“) zu rechnen, jedoch hat eine fehlerhafte Unterrichtung keine Auswirkung auf die gesetzlich vorgeschriebene Frist zu Erhebung der Kündigungsschutzklage.

Arbeit auf Abruf

Auch hinsichtlich der Arbeit auf Abruf sollen die Regeln schärfer werden. Die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, der Zeitrahmen, der für die Erbringung der Arbeitsleistung vorgesehen ist, wie auch die Frist, innerhalb derer der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit im Voraus erfährt, sollen ebenfalls schriftlich niedergelegt werden.

Auch die Unterrichtungspflichten im Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt des Arbeitnehmers in Entsendungsfällen sollen erweitert werden. In § 2 Abs. 3 NachwG ist eine Information des Mitarbeiters zur Entlohnung während der Entsendung sowie zu den entsprechenden offiziellen nationalen Websites vorgesehen. Ebenso soll der Zeitpunkt der Information gemäß § 3 vorverlegt werden, und zwar auf den Tag, an dem die Entsendung „wirksam wird“.

Sanktionen

Eine der größten Änderungen soll jedoch das Hinzufügen von Bußgeldvorschriften in § 4 sein. Bis dato war das Nachweisgesetz ein zahnloser Tiger, die Nichteinhaltung führte lediglich zu Beweisproblemen. Durch die Einführung von § 4 soll eine nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig ausgehändigte schriftliche und unterschriebene Niederlegung als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 2.000 Euro geahndet werden.

Auch eine Übergangvorschrift soll gemäß § 5 hinzugefügt werden: Hat das Arbeitsverhältnis bereits vor Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes bestanden, soll dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen hin die Niederschrift mit den gesetzlich zwingenden Angaben innerhalb neu geregelter Fristen ausgehändigt werden.

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Im AÜG sollen die Nachweispflichten gemäß § 11 AÜG um die Pflicht zum Nachweis der Identität (Firma und Anschrift) der entleihenden Unternehmen erweitert werden. Zudem soll der Entleiher in Zukunft nach § 13a einem Leiharbeitnehmer, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der ihm in Textform seinen Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrags angezeigt hat, diesem innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform zukommen lassen. Dadurch soll Leiharbeitnehmern der Übergang in die Stammbelegschaft erleichtert werden.

Auch die Geldbuße in § 16 AÜG wird im Hinblick auf den Verstoß gegen § 11 auf bis zu 2.000 Euro angepasst.

Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

Eine ähnliche Regelung wie im AÜG soll auch in das TzBfG eingeführt werden. So soll auch hier der Arbeitgeber verpflichtet werden, auf ein schriftliches Veränderungsgesuch (Textform) eines Arbeitnehmers innerhalb eines Monats mit einer begründeten Antwort zu reagieren. Dies gilt auch für befristet Angestellte, die schriftlich ein Entfristungsgesuch beim Arbeitgeber vorlegen.

Zudem soll eine Regelung in § 15 Abs. 3 TzBfG zur Verhältnismäßigkeit der Vereinbarung einer Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen eingefügt werden. Danach soll eine Probezeitvereinbarung unwirksam sein, wenn diese im Verhältnis zur Dauer der befristeten Beschäftigung zu lang vereinbart wurde.

Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)  

Ins AEntG soll eine Hinweispflicht des Arbeitgebers gegenüber EU-Arbeitnehmern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland aufgenommen werden, der Arbeitgeber spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung in Textform auf die Dienste der Beratungsstellen nach § 23a hinzuweisen hat.

Fazit

Arbeitgeber stehen vor der Herausforderung, wie sie die Änderungen in der Praxis umsetzen sollen. Die neuen Voraussetzungen, vor allem die des NachwG, führen dazu, dass gegebenenfalls Musterarbeitsverträge angepasst und entsprechende Musterinformationsschreiben entworfen werden müssen. Hierdurch wird auf jeden Fall zusätzlicher administrativer Aufwand auf Arbeitgeber zukommen. Da nach dem neuen Gesetzentwurf die Nichteinhaltung der neuen Regelungen mit Geldbußen von bis zu 2.000 Euro geahndet werden soll, sind Arbeitgeber gut beraten, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, sofern das Gesetz in dieser Form am 1. August 2022 in Kraft tritt.

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Bärbel Kuhlmann

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Bärbel Kuhlmann ist Rechtsanwältin und Regional Lead Partner bei EY Frankfurt/Central.

Priscila Luz Barreiros

Associate | Rechtsanwältin | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Priscila Luz Barreiros ist Rechtsanwältin bei EY Law und im Bereich Arbeitsrecht tätig.