3 Minuten Lesezeit 24 November 2022
Public Transport

Vergabeentscheidung durch unzuständiges Gemeindeorgan kann Bieterrechte verletzen

Von Aline Heurley

Senior Associate | Rechtsanwältin | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Aline Heurley ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Vergaberecht bei EY Law und im Bereich öffentlicher Verkehr / Public Transport tätig.

3 Minuten Lesezeit 24 November 2022
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Nach Auffassung der VK Südbayern sind Ermessensentscheidungen in Vergabeverfahren, die durch ein unzuständiges Gemeindeorgan getroffen wurden, ermessensfehlerhaft.

Überblick
  • Die gesetzliche Kompetenzverteilung unter Gemeindeorganen hat gegenüber Außenstehenden rechtliche Bedeutung
  • Vergabeentscheidungen durch ein kommunalrechtlich unzuständiges Gemeindeorgan verletzen Bieter in ihren Rechten, wenn es sich um Ermessensentscheidungen handelt

Ein bayerischer Landkreis schrieb in seiner Funktion als ÖPNV–Aufgabenträger Busverkehrsleistungen europaweit aus. Aufgrund der anhaltenden Coronapandemie wurde auf Seiten der Kreisverwaltung darüber diskutiert, ob die für die Vergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags vorgesehene Kreistagssitzungen stattfinden können. Aus Sicht des Landrats bestand aufgrund des erforderlichen Vorlaufs bis zur Betriebsaufnahme und der unklaren pandemischen Lage eine Eilbedürftigkeit der Zuschlagserteilung, weshalb er im Wege einer dringlichen Anordnung anstelle des Kreistags die Entscheidung über die Angebotswertung sowie die darauf basierende Zuschlagserteilung an sich zog. Die vom Landrat vorgenommene dringliche Anordnung umfasste u.a. auch die Ermessensentscheidung, ob Bieter aufgrund von fakultativen Ausschlussgründen von der weiteren Teilnahme an dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Die Entscheidungen des Landrats wurden später von einem unterlegenen Bieter angegriffen. In dem Nachprüfungsverfahren war u.a. streitig, ob die kommunalrechtlichen Voraussetzungen für die Eilentscheidung des Landrats vorlagen und die Vergabeentscheidung insoweit an einem formalen Ermessensfehler leide, der im Nachprüfungsverfahren zu prüfen sei.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer Südbayern kommt in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine dringliche Anordnung durch den Landrat nicht vorgelegen haben.

Zur Begründung führt die Kammer aus, dass zum Zeitpunkt der Vergabeentscheidung durch den Landrat – die knapp 2 Monate vor dem im Vergabeverfahren vorgesehenen spätestens Zuschlagsdatum und mehr als 7 Monate vor der geplanten Betriebsaufnahme durch den Ausschreibungsgewinner lag – objektiv kein nachvollziehbarer Grund erkennbar war, wonach ein Zuschlag durch das kommunalrechtlich zuständige Gremium, dem Kreistag, für den Zuschlagsempfänger zu spät kommen würde. Unerheblich sei dabei, dass die für Vergabeentscheidung ursprünglich geplante Sitzung des Kreistags, die drei Wochen nach der Vergabeentscheidung des Landrates hätte stattfinden sollen, pandemiebedingt abgesagt werden musste. Zum damaligen Zeitpunkt hätte der Landrat nämlich nicht davon ausgehen dürfen, dass monatelang keine Kreistagssitzungen mehr stattfinden können – zumal der Kreistag dann tatsächlich noch zweimal innerhalb des Zeitfensters bis zur ursprünglich vorgesehenen Vergabeentscheidung getagt hatte. Diese Termine wären für eine Zuschlagsentscheidung ebenfalls noch ausreichend gewesen.

Im Ergebnis sei die Vergabeentscheidung daher durch ein unzuständiges Gemeindeorgan getroffen worden, was die Bieter in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletze. Denn – so die Vergabekammer weiter – die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung besitze unter den Gemeindeorganen – im Unterschied zur verwaltungsinternen Geschäftsverteilung – auch gegenüber Dritten rechtliche Bedeutung. Daher führe eine Vergabeentscheidung, die unter Verletzung dieser gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung getroffen wird, jedenfalls dann zu einer Rechtsverletzung von Bietern, wenn die Entscheidung durch das Vergaberecht nicht zwingend vorgegeben ist, sondern – wie im Fall des Vorliegens fakultativer Ausschlussgründe – in Ausübung des Ermessens erfolgt.

Fazit

Die Vergabekammer Südbayern vertritt die Auffassung, dass auch Verletzungen der kommunalrechtlichen Zuständigkeitsverteilung einen Vergabeverstoß begründen können. Dies gilt jedenfalls für Ermessensentscheidungen in Vergabeverfahren, die durch ein unzuständiges Gemeindeorgan getroffen wurden und somit an einem formalen Ermessenfehler leiden, der die Bieter in ihren Bieterrechten verletzt. Der Rechtsgedanke der Vergabekammer lässt sich auf alle in einem Vergabeverfahren zu treffenden Ermessensentscheidungen übertragen.

In dem vorliegenden Fall hat der Landkreis während des laufenden Nachprüfungsverfahrens den Verstoß gegen die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung (formaler Ermessensfehler) durch eine nachträgliche Genehmigung der Eilentscheidung des Landrats durch den zuständigen Kreistag geheilt.

Über diesen Artikel

Von Aline Heurley

Senior Associate | Rechtsanwältin | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Aline Heurley ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Vergaberecht bei EY Law und im Bereich öffentlicher Verkehr / Public Transport tätig.