Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeit sind seit der Entscheidung des EuGH 2019 und des BAGs im Herbst 2022 ein Dauerbrenner. Eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber besteht. Das dürfte mittlerweile unumstritten sein. Nach wie vor ungeklärt ist jedoch, wie genau das in der Praxis von Arbeitgebern umzusetzen ist. Einen Referentenentwurf für die Änderung des Arbeitszeitgesetzes gab es zwar, die Verabschiedung einer solchen Änderung blieb bisher aus. Gerüchten zufolge ist der aktuelle Referentenentwurf lange vom Tisch, ein neuer lässt auf sich warten. Ob ein solcher 2024 umgesetzt wird, bleibt fraglich. Das LAG München hat im Mai diesen Jahres klargestellt, dass der Betriebsrat bei der Einführung eines Zeiterfassungssystems ein Mitbestimmungsrecht und auch ein Initiativrecht für die Ausgestaltung hat. Die zu erwartende gesetzliche Neuregelung zur Arbeitszeiterfassung schützt den Arbeitgeber also nicht davor, dass der Betriebsrat Regelungen über die Ausgestaltung erzwingen kann. Das Verfahren ist vor dem BAG anhängig, es bleibt daher abzuwarten, inwieweit das BAG an seine viel beachtete und breit diskutierte Entscheidung aus dem Herbst 2022 anknüpft.
Das VG Lüneburg ist in einer Entscheidung im Mai diesen Jahres von der gefestigten Rechtsprechung des BAG zur Frage, was Arbeitszeit ist, abgewichen. Es hat klargestellt, dass Reisezeit mit der Bahn als Arbeitszeit gelte. Insbesondere dann, wenn keine festen Arbeitsorte vereinbart sind, sollten Unternehmen (im Fall des VG ein Speditionsunternehmen) daher künftig ihre Aufzeichnungspraxis überprüfen und bei der Personaleinsatzplanung Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten berücksichtigen.
Neues aus dem Betriebsverfassungsgesetz gab es dieses Jahr auch. Gesetzliche Vertreter von Arbeitgebergesellschaften können sich der Untreue strafbar machen, sollten sie einzelnen Betriebsratsmitgliedern ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewähren (BAG Anfang des Jahres 2023). Die Reaktion vieler Unternehmen: Präventiv die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern kürzen. Das wiederum kann jedoch zur Folge haben, dass Betriebsratsmitglieder rechtlich gegen diese Kürzungen vorgehen. Unternehmen sind daher gut beraten, nicht pauschal zu kürzen, sondern Vergleichsgruppen zu bilden und Ausreißer nach oben (z. B. Lustreisen nach Brasilien, First Class-Flüge oder Luxusautos als Dienstwägen) zu vermeiden. Ein entsprechender Regierungsentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes zur Vergleichsgruppenbildung und zur Konkretisierung des Begünstigungs- und Benachteiligungsverbots von Betriebsräten wurde am 1. November 2023 verabschiedet.