Der BFH stellt im Zusammenhang mit der steuerlichen Festsetzungsfrist klar, dass ausschließlich Beschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnungen von Verfolgungsbehörden oder Richtern die Verfolgungsverjährung gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) unterbrechen können, nicht aber Anordnungen von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.
Im Streitfall wurde der Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2001 aufgrund nicht anerkannter Betriebsausgaben geändert. Die Änderung beruhte auf neuen Erkenntnissen, die das Finanzamt aufgrund einer Durchsuchungsmaßnahme der Steuerfahndung gewonnen hatte. Die Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin richtete sich zunächst gegen ihren Geschäftspartner. Nachdem der Steuerfahnder die Überzeugung gewonnen hatte, dass er gegen die falsche Person ermittelte, leitete er am selben Tag ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein und beschlagnahmte im Rahmen der Durchsuchung Unterlagen aus dem Jahr 2001, die den Verdacht begründeten, dass die Klägerin Betriebsausgaben geltend gemacht hatte, die tatsächlich nicht angefallen waren. Diese strafprozessualen Maßnahmen beruhten jedoch nicht auf einem Gerichtsbeschluss, sondern „wegen Gefahr im Verzug“ lediglich auf der Anordnung des Steuerfahnders als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen Steuerhinterziehung wurde eingestellt, sie wurde lediglich zu einem Bußgeld wegen leichtfertiger Steuerverkürzung verurteilt. Im Jahr 2010 erließ die Finanzbehörde schließlich einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001, der eine erhebliche Nachforderung beinhaltete. Gegen diesen wandte sich die Klägerin und berief sich mit ihrer Klage auf Festsetzungsverjährung. Das Finanzamt stellte hingegen auf die verjährungsunterbrechende Wirkung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG ab, da aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses die strafrechtliche Verfolgungsverjährung und damit auch die Festsetzungsverjährung gehemmt wurde und der Bescheid daher noch abänderbar gewesen sei. Hiergegen wandte sich die Klägerin erfolgreich.
Inhaltliche Mindestanforderungen bei Durchsuchungsanordnungen
Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 7 der Abgabenordnung (AO) sei – so der BFH – nicht eingetreten. Der X. Senat des BFH beruft sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und den Bundesgerichtshof (BGH), die beide aufgrund der Schwere des mit einer Durchsuchung einhergehenden Eingriffs hohe Anforderungen an entsprechende Beschlüsse stellen. So muss ein Durchsuchungsbeschluss tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthalten. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes oder eine schlagwortartige Bezeichnung der mutmaßlichen Straftat genügen nicht, denn der Durchsuchungsbeschluss hat (auch) eine Begrenzungsfunktion (hierzu auch Artikelserie "Gewappnet für den Hausbesuch" Teil 1: Der rechtswidrige Durchsuchungsbeschluss). Dem Betroffenen soll die Möglichkeit gegeben werden, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von Beginn an entgegenzutreten. Bei einer Steuerhinterziehung genügt ein Durchsuchungsbeschluss den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht, wenn er weder Angaben zur Steuerart enthält noch eine zeitliche Eingrenzung des Tatvorwurfs vornimmt. Wird im Beschluss beispielsweise (nur) ein Tatzeitraum „zwischen 2015 und 2018“ angegeben, bleibt unklar, für welche Jahre der Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben wird.
Ferner muss der Beschluss den Zweck der Durchsuchung angeben. Dient er dem Auffinden von Beweismitteln, müssen im Einzelnen Art und denkbarer Inhalt der Beweismittel darin genannt werden (z. B. Verträge, Buchhaltungsdaten, elektronische Daten, E-Mails etc.).
Sind die genannten inhaltlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt, hat eine Durchsuchungsanordnung ebenfalls keine verjährungsunterbrechende Wirkung.
Feststellungen durch Finanzgerichte ggf. erforderlich
Eine weitere wichtige Frage im Streitfall war, ob die verjährungshemmende Wirkung der Durchsuchungsanordnung überhaupt überprüft werden durfte. Im Einklang mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung betont der BFH, dass die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses – vorbehaltlich besonders schwerer Mängel – grundsätzlich nicht durch das Finanzgericht geprüft werden muss, sofern die Überprüfung bereits durch andere Gerichte geschehen ist. Sofern Entscheidungen anderer Gerichte fehlen, muss ggf. das Finanzgericht selbst eigene Feststellungen zur Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsmaßnahme treffen, um die für den Eintritt einer steuerrechtlichen Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 7 AO erforderlichen Voraussetzungen zu überprüfen. Die angesprochenen Mindestanforderungen können – wie der BFH feststellt – angesichts des Umstands, dass sie recht hoch sind und in der Praxis daher mitunter nicht erfüllt werden, nicht einfach als gegeben unterstellt werden. Es bedarf in diesen Fällen einer separaten Prüfung.