Nachdem Deutschland die Frist zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie (RL 2019/1937 – „WBLR“) ins nationale Recht zunächst verstreichen ließ, verabschiedete der Bundestag im Dezember 2022 einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der WBRL, das Hinweisgeberschutzgesetz. Diesen Entwurf lehnte der Bundesrat ab. Daraufhin wurde ein neuer Regierungsentwurf, der in einen zustimmungsbedürftigen und einen nicht zustimmungsbedürftigen Teil aufgespalten wurde, auf den Weg gebracht. Nach erheblicher Kritik an der Aufspaltung wurde der Vermittlungsausschuss angerufen. Hier konnten sich Bund und Länder nun einigen. Das Gesetz wurde am 11. Mai vom Bundestag verabschiedet. Am 12. Mai stimmte der Bundestag dem geänderten Entwurf zu. Es wird insbesondere keine Pflicht für anonyme Meldekanäle geben.
1. Anwendungsbereich
Das HinSchG soll für Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten gelten (§§ 12, 13 HinSchG). Arbeitgeber sind danach verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten und Informationen über den unternehmensinternen Meldeprozess und über alternative Meldewege bereitzustellen (§ 12 Abs. 1 HinSchG). Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten können eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben (§ 14 Abs. 2 HinSchG). Für Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten soll eine Übergangsfrist gelten, nach der sie bis zum 17. Dezember 2023 eine interne Meldestelle einrichten müssen (§ 42 Abs. 1 HinSchG).
a. Geschützter Personenkreis
Geschützt sein sollen sämtliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen (hinweisgebende Person) (§ 1 Abs. 1 HinSchG). Der Kreis der hinweisgebenden Personen ist weit zu verstehen und schließt neben den regulär Beschäftigten unter anderem auch in Leiharbeit tätige Personen, Praktikant:innen, leitende Angestellte und Organmitglieder ein. Ausgenommen sind Beamte sowie der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richter:innen (§ 1 Abs. 3 HinSchG). Für diese soll aber eine vergleichbare Regelung beschlossen werden.
b. Art der Meldungen
Das HinSchG schützt sachliche Meldungen und Informationen im beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Bereich. Die Information muss sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen. Mitteilungsfähig sind strafbewehrte Verstöße (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG). Dabei muss bei Verstößen gegen Strafvorschriften kein unmittelbarer Bezug zum eigenen Arbeitsverhältnis der hinweisgebenden Person vorliegen, damit der Anwendungsbereich eröffnet ist. Bußgeldbewehrte Verstöße (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG) sind dagegen nur mitteilungsfähig, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leib, Leben oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (z. B. § 20 MiloG, § 16 Abs. 1 AÜG, § 121 BetrVG).
Auch Sicherheitsinteressen sowie Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten innerhalb des Unternehmens, sind nicht vom Schutzbereich erfasst und genießen Vorrang vor dem HinSchG. Eine Ausnahme besteht bei Personen, die Geschäftsgeheimnisse bzw. vertrauliche Informationen in einem beruflichen Kontext erlangt haben. Sie genießen den Schutz i. S. d. HinSchG, wenn sie die Voraussetzungen dieses Gesetzes erfüllen und die Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses erforderlich war, um einen Verstoß im sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes aufzudecken. Eine Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen bzw. vertraulichen Informationen ist damit erlaubt (§ 6 HinSchG).
2. Verfahren
Das Gesetz soll die hinweisgebende Person besonders vor Repressalien schützen und es ihr ermöglichen, Fehlverhalten und Verstöße ohne persönliche Nachteile zu melden. Hierfür können hinweisgebende Personen die interne und externe Meldestelle und die Offenlegung nutzen. Für Arbeitgeber ist die interne Meldestelle entscheidend, weil sie hierauf unmittelbar Einfluss haben und zur Einrichtung verpflichtet sind.
a. Interne Meldestelle
Um die Funktionsfähigkeit der internen Stelle zu gewährleisten, muss diese unabhängig und frei von Interessenkonflikten sein und die nötige Fachkunde besitzen. Dabei ist es nicht erforderlich, jemanden nur für die Meldestelle einzustellen. Die Aufgabe kann, bei geringem Informationsaufkommen, auch einem bzw. einer schon bestehenden Beauftragten (z. B. Korruptions , Integritäts- oder Datenschutzbeauftragten) übertragen werden. Bei größeren Unternehmen wird es wohl notwendig sein, eine Abteilung für das Betreiben der Meldestelle einzurichten. Da das zusätzliche Personal und Know-how schwer zu beschaffen sein kann, sollen Arbeitgeber die Möglichkeit haben, Dritte mit den Aufgaben der internen Meldestelle zu betrauen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 HinSchG). Dies kann aufgrund der dadurch vorhandenen natürlichen Distanz vorteilhaft sein, auch mit Blick auf die Unabhängigkeit der internen Meldestelle.
Der beauftragte Dritte kann nach der Begründung des Gesetzesentwurfs eine Konzerngesellschaft sein (sogenannte Konzernlösung). Dies hat den Vorteil, dass man bereits vorhandene Strukturen und Synergien nutzen kann. Die EU-Kommission steht dem aber kritisch gegenüber und hält dies für unvereinbar mit der WBRL. Dies gelte auch für die Nutzung des Hinweisgebersystems einer Konzernmutter durch Tochterunternehmen im Ausland. Diese müssten auch einen lokalen Meldekanal anbieten und könnten das System der Konzernmutter lediglich als zusätzliches Tool nutzen. Eine Befassung des EuGH mit dem nationalen Umsetzungsgesetz gilt daher als wahrscheinlich, sollte der Entwurf unverändert verabschiedet werden.
Für das Melden von Verstößen sind Meldekanäle einzurichten. Dabei müssen Meldungen mündlich wie auch in Textform möglich sein (§ 16 Abs. 3 Satz 1 HinSchG). Die mündlichen Meldungen müssen per Telefon oder sonstiger Sprachübermittlung ermöglicht werden. Einem Wunsch des Hinweisgebers, eine persönliche Zusammenkunft zu organisieren, hat die Meldestelle nachzukommen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 HinSchG). Im Falle einer Meldung hat die interne Meldestelle gemäß § 17 HinSchG den Eingang der Meldung gegenüber der hinweisgebenden Person zu bestätigen und zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des HinSchG eröffnet und wie stichhaltig die eingegangene Meldung ist. Anschließend sind gegebenenfalls angemessene Folgemaßnahmen zu ergreifen (§ 18 HinSchG). Innerhalb eines angemessenen Zeitraums (maximal innerhalb von drei Monaten) ist der hinweisgebenden Person eine Rückmeldung über Folgemaßnahmen zu geben. Die Meldestelle hat zudem ab dem 1. Januar 2025 auch anonyme Hinweise anzunehmen und zu bearbeiten.
b. Externe Meldestellen
Die externe Meldestelle wird vom Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet und geführt (§ 19 Abs. 1 Satz 1 HinSchG). Sie ist, ebenso wie die interne Meldestelle, unabhängig zu führen. Neben der Meldestelle des BfJ werden weitere externe Meldestellen bei der BaFin und dem Bundeskartellamt für bereichsspezifische Meldungen eingerichtet (§§ 21, 22 HinSchG). Auch kann jedes Bundesland eigene Meldestellen einrichten (§ 20 HinSchG). Die hinweisgebende Person kann frei wählen, ob sie sich zunächst an die interne Meldestelle wendet oder extern an die zuständige Behörde. Sie kann sich also direkt an eine externe Meldestelle wenden. In Fällen, in denen intern wirksam gegen Verstöße vorgegangen werden kann, soll die Meldung an eine interne Meldestelle aber bevorzugt werden.