Ransomware-Attacken sind ein schwerwiegendes Problem für Unternehmen; es bestehen vielfältige Risiken:, nicht nur finanzielle Einbußen (Erpressung), sondern auch Betriebsausfall und Datenverlust. Im Jahr 2022 machten Cybersicherheitsvorfälle das größte Geschäftsrisiko weltweit aus (Quelle: 11th Allianz Risk Barometer 2022: Annual survey incorporates views of 2,650 respondents from 89 countries and territories). Mit Inkrafttreten der NIS-2-Richtlinie (im Folgenden „NIS-2-RL“) zum 16.01.2023 wird die bisherige NIS-1-Richtlinie abgelöst und durch ein weiter reichendes Regelwerk ersetzt. Ziel der Kommission ist es, ein einheitliches und erhöhtes Niveau der Cyberresilienz in der EU zu schaffen und so den europäischen Binnenmarkt besser vor Cyberangriffen zu schützen. Die NIS-2-RL verfolgt einen ganzheitlichen, gefahrenübergreifenden Ansatz, der nicht lediglich die einzelne (Kritis-)Anlage schützen soll, sondern das Unternehmen gesamthaft betrachtet. Damit kommen auf mehr Unternehmen höhere Anforderungen an das Risikomanagement zu. Insbesondere wird der Fokus auf die Lieferketten ausgeweitet und Leitungsorgane werden zukünftig persönlich haften. Die Umsetzungsfrist in das nationale Recht endet am 17.10.2024.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der NIS-2-RL erfasst mehr Unternehmen, als dies bei der NIS-1-Richtlinie der Fall war. Unterschieden wird zwischen „wesentlichen“ und „wichtigen“ Einrichtungen. Der Anwendungsbereich wurde jetzt auf 18 Sektoren (11 wesentliche und 7 wichtige Sektoren) erweitert (Art. 3 NIS-2-RL). Die Liste der kritischen Sektoren in Anhang I der RL, die für die Beurteilung, ob es sich um eine „wesentliche“ Einrichtung handelt, maßgeblich ist, wurde um neue Unternehmen erweitert, die im Bereich der Abwasserwirtschaft, der Verwaltung von IKT-Diensten und im Weltraumsektor tätig sind, sowie auf die öffentliche Verwaltung (mit Ausnahme der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung oder der Strafverfolgung). Bei „wichtigen“ Einrichtungen kamen u. a. Post- und Kurierdienste, die Forschung und die Produktion von chemischen Stoffen und Lebensmitteln hinzu. Um in den Anwendungsbereich der NIS-2-RL zu fallen, müssen Unternehmen grundsätzlich die Schwelle der mittleren Unternehmen überschreiten. Dies ist bei 50 oder mehr Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 10 Mio. Euro der Fall (Art. 2 Abs. 1 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG). Unabhängig von der Größe fallen zudem u. a. Anbieter von öffentlichen elektronischen Kommunikationsnetzen oder öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten, Vertrauensdiensteanbieter und Diensteanbieter mit Alleinstellungsmerkmal eines Mitgliedstaates, die für die Aufrechterhaltung kritischer gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Tätigkeiten unerlässlich sind, in den Anwendungsbereich (Art. 2 NIS-2-RL).
Verpflichtungen – Risikomanagementmaßnahmen und Berichtspflichten
„Wesentliche“ und „wichtige“ Einrichtungen haben umfangreiche Risikomanagementmaßnahmen zu ergreifen (Art. 21 NIS 2-RL). Hierzu zählen u. a. ein Backup-Management, Sicherheitskonzepte sowie Schulungen im Bereich der Cybersicherheit oder die Pflicht, zertifizierte IKT-Produkte, -Dienste und Prozesse zu verwenden (Art. 24 NIS-2-RL).
Im Fall eines erheblichen Sicherheitsvorfalls gelten unverzügliche Berichtspflichten (Art. 23 NIS-2-RL). Eine erste Frühwarnung hat dabei spätestens nach 24 Stunden zu erfolgen, eine ausführlichere Bewertung des Sicherheitsvorfalls innerhalb von 72 Stunden. Nach einem Monat ist dem Computer-Notfallteam (CSIRT) ein Abschlussbericht zu übermitteln. Die EU-Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, in denen die Einzelheiten zur Art der Angaben, zum Format und zum Verfahren der Meldung näher bestimmt werden (Art. 23, Abs. 10 NIS-2-RL).
Risikomanagement im Bereich der Lieferketten, Art. 22 NIS-2-RL
Beim Risikomanagement ergeben sich vor allem im Bereich der Lieferketten Neuheiten. Da diese bei der Datenweitergabe als Schnittstelle von mehreren Unternehmen besonders angreifbar und Unternehmen dabei besonders vulnerabel sind, hält die Kommission einen weiter gehenden Schutz von Lieferketten für notwendig (Erwägungsgrund 54 ff. NIS-2-RL). Bei der Risikobewertung von Lieferketten sollen daher kritische IKT-Dienste, -Systeme oder Produkte sowie relevante Bedrohungen und Schwachstellen ermittelt werden (Art. 22 Abs. 1 NIS-2-RL). Dabei sollen u. a. folgende Kriterien beachtet werden (Erwägungsgrund 91 NIS-2-RL):
- der Umfang, in dem kritische IKT-Dienste, -Systeme oder -Produkte von wesentlichen und wichtigen Einrichtungen genutzt werden und diese darauf angewiesen sind
- die Bedeutung von kritischen IKT-Diensten, -Systemen oder -Produkten für die Ausführung kritischer oder sensibler Funktionen
- die Verfügbarkeit alternativer Dienste, Systeme und Produkte
- die Resilienz der gesamten Lieferkette gegen destabilisierende Ereignisse