Schon im Jahre 2017 trat das Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharings (Carsharinggesetz – CsgG) mit dem Ziel in Kraft, eine nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität zu fördern. Entsprechende Stellflächen im öffentlichen Straßenraum sind seitens der Gebietskörperschaften diskriminierungsfrei und transparent zu vergeben. Die vergaberechtliche Einordnung dieser neuen Mobilitätsform war weitgehend ungeklärt. Mit seiner aktuellen Entscheidung (Urteil vom 10. November 2022 – C-486/21) hat der EuGH nun zu mehr Rechtssicherheit beigetragen. Er legt dar, unter welchen Voraussetzungen Carsharing-Modelle als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind.
I. Rechtliche Einordung
Ein „öffentlicher Auftrag“ wird vergaberechtlich als ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen definiert, der die Beschaffung von Leistungen, die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat.
Demgegenüber ist eine „Dienstleistungskonzession“ bei einem entgeltlichen Vertrag anzunehmen, mit dem ein öffentlicher Auftraggeber ein Unternehmen mit der Erbringung und Verwaltung von Dienstleistungen betraut, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht. Dabei hat der Konzessionsnehmer das Betriebsrisiko zu tragen. Nach § 105 Abs. 2 GWB ist eine Dienstleistungskonzession zu bejahen, wenn unter normalen Betriebsbedingungen nicht gewährleistet ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten des Konzessionsnehmers wieder erwirtschaftet werden können und der Konzessionsnehmer den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt ist.
In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen einem Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession oft schwierig. Denn ob und inwieweit der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung tatsächlich den Risiken des Marktes ausgesetzt ist und er das Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Relevant sind hierbei beispielsweise Aspekte wie das Risiko der Konkurrenz durch andere Wirtschaftsteilnehmer, das Risiko eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit derjenigen, die die Bezahlung der erbrachten Dienstleistungen schulden und das Risiko einer nicht vollständigen Deckung der Betriebsausgaben durch die Einnahmen.
Letztlich kann verkürzt und zur ersten Einordnung folgender Maßstab angewendet werden: Je begrenzter die staatliche Ausgleichsgewährung und je höher das Risiko des Unternehmens ist, sich aus den Entgeltzahlungen der Kunden befriedigen zu können, umso mehr gerät der zu prüfende Vertrag in die Nähe einer Dienstleistungskonzession.
II. Die Entscheidung
In dem oben dargestellten Kontext ist die aktuelle Entscheidung des EuGH relevant, der diese Abgrenzung für Carsharing-Modelle weiter konkretisiert.
Im konkreten Fall führte die slowenische Hauptstadt Ljubljana ein Verfahren zur Vergabe einer Konzession zum Zwecke der Einrichtung und Verwaltung eines öffentlichen Systems des Mietens und der gemeinschaftlichen Nutzung (Carsharing) von Elektrofahrzeugen durch. Der Konzessionsnehmer sollte im Vertragszeitraum alle technischen, technologischen und finanziellen Risiken im Zusammenhang mit der Durchführung von Investitions- und anderen Maßnahmen, einschließlich des Risikos der Rentabilität der getätigten Investitionen, selbst tragen. Gleiches galt für das Nachfragerisiko.
Der EuGH stellte zur Abgrenzung zwischen einem öffentlichen Auftrag und einer Dienstleistungskonzession entscheidend auf die Beurteilung des dem Auftragnehmer obliegenden Betriebsrisikos ab. Hierfür führte er eine eingehende Prüfung anhand der getätigten Investitionen und Kosten durch.
Aufgrund der Ausgestaltung des vorliegenden Carsharing-Modells stellte der EuGH fest, dass das Betriebsrisiko auf den Konzessionsnehmer übertragen wurde. Zwar habe die Stadt Ljubljana auf Parkgebühren für die Stellplätze verzichtet und auch die regelmäßige Instandhaltung der Stellplätze übernommen. Dennoch könne der Auftragnehmer die getätigten Investitionen und die angefallenen Kosten nur dann amortisieren, wenn er erhebliche Einnahmen aus der Zahlung von Gebühren durch die Nutzer des Carsharings erzielt. Der Verzicht auf die Parkgebühren und die Instandhaltung der Stellplätze durch die Stadt führte nicht dazu, dass das Betriebsrisikos bei der Stadt verblieb.
Im Ergebnis lag nach Auffassung des EuGHs damit aufgrund der Übernahme des Betriebsrisikos eine Dienstleistungskonzession vor.