3 Minuten Lesezeit 10 Januar 2023
man driving a bus

Verkehrsmanagementgesellschaften nicht durch VO 1071 wegen fehlender Fahrer und Busse gefährdet

Von Sascha F. Schaefer

Senior Associate | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Sascha F. Schaefer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei EY Law und berät umfassend rechtlich und strategisch im Bereich des Öffentlichen Verkehrs / Public Transport.

3 Minuten Lesezeit 10 Januar 2023
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Nach Auffassung des Bund-Länder-Fachausschusses Straßenpersonenverkehr (BLFA) können Verkehrsmanagementgesellschaften weiterhin PBefG-Genehmigungen erteilt werden

Überblick
  • Die Einschätzung des BLFA zur Einhaltung der durch die Novelle der VO 1071 verschärften Anforderungen für Verkehrsmanagementgesellschaften schafft Planungssicherheit.
  • Verkehrsmanagementgesellschaften (VMGs) müssen zukünftig ein erhöhtes Augenmerk auf die Gestaltung ihrer Subunternehmerverträge legen, um die Einhaltung der novellierten Voraussetzungen belastbar abzubilden.

Der EU-Gesetzgeber hat die Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zur Festlegung gemeinsamer Regelungen für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers (VO 1071) im Rahmen des zum 21.02.2022 in Kraft getretenen „Mobilitätspakets“ neu gefasst. Diese Neuregelung legt, wie auch deren Vorfassung, Zugangsvoraussetzungen für den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers (KraftVU) fest und gilt neben dem Bereich Gütertransport auch für Personenbeförderungsunternehmen. Mit der neuen VO 1071 werden Voraussetzungen definiert, die über § 13 Abs. 1a PBefG auch im PBefG-Genehmigungsverfahren zu beachten sind und damit auch für kommunale Verkehrsunternehmen gelten. Nach der bis zum 21.02.2022 gültigen Fassung mussten Personen, die den Beruf des KraftVU ausüben wollten, neben ihrer Zuverlässigkeit und einer angemessenen finanziellen Leistungsfähigkeit u. a. auch eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat nachweisen.

Die Anforderungen an eine dauerhafte Niederlassung konnten zuvor naturgemäß auch durch VMGs eingehalten werden und standen insoweit einer Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung an diese Unternehmen nicht entgegen. VMGs zeichnen sich klassischerweise dadurch aus, dass sie zwar Inhaber der erforderlichen Liniengenehmigungen sind und damit den Status eines Verkehrsunternehmens gem. PBefG aufweisen, aber selbst keinen operativen Fahrbetrieb mit eigenem Fahrpersonal und eigenen Fahrzeugen unterhalten. Stattdessen bedienen sie sich ganz überwiegend Subunternehmen als operativer Verkehrsunternehmen, die häufig nach Durchführung europaweiter Ausschreibungsverfahren beauftragt werden. Der Vorteil dieser Konstruktion aus Sicht der kommunalen Eigner ist, dass die von den VMGs erwirtschafteten Verkehrsverluste regelmäßig über die Verrechnung mit Versorgungsgewinnen aus der Energie- und Wasserversorgung im steuerlichen Querverbund verrechnet werden können und über diesen Steuervorteil ein beträchtlicher Anteil des dauerdefizitären ÖPNV finanziert werden kann.

Im Vergleich zur Altfassung beinhaltet die reformierte VO 1071 allerdings weiter gehende Voraussetzungen für den Nachweis einer geeigneten „Niederlassung“, wodurch die Genehmigungsanforderung für kommunale Verkehrsunternehmen im Allgemeinen und für VMGs im Besonderen verschärft werden. Hinzugekommen sind insbesondere Vorgaben zu Fahrzeugvorhaltung, Fahrpersonal und Vermögenswerten (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. a, e, f und g VO 1071). Aus Sicht der VMGs kommt hier der Regelung des Art. 5 Abs. 1 lit. g VO 1071 eine besondere Bedeutung zu. Danach muss der KraftVU

„gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Anzahl an Fahrzeugen, die den Anforderungen des Buchstaben e genügen, sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedsstaat zugeordnet sind, verfügen.“

Da jedenfalls der reine Wortlaut dieser Anforderung eine Genehmigungserteilung an kommunale VMGs – mangels eigener Fahrer und eigener Busse – fraglich erscheinen lässt, haben von uns beratene Mandanten mit Blick auf eine perspektivische Neuerteilung von Liniengenehmigungen vorsorglich bei der für sie zuständigen Genehmigungsbehörde erfragt, wie diese gedenken, die neuen Anforderungen auszulegen. Dabei wurde von unserer Seite unter Berufung auf die Gesetzgebungshistorie und den Sinn und Zweck des Mobilitätspakets argumentiert, dass ein „Verfügen über Fahrzeuge und Fahrer“ jenseits eines unmittelbaren Besitzes bzw. außerhalb arbeitsvertraglicher Beziehungen bereits über die Implementierung von Beistellungs-, Weisungs- und Kontrollrechten innerhalb des Subunternehmervertrags mit dem Fahrdienstleister hergestellt werden könne. Wegen des vermeintlich eindeutigen Wortlauts sahen sich jedoch Genehmigungsbehörden zunächst daran gehindert, neue Liniengenehmigungen an kommunalen VMGs zu erteilen, die kein eigenes Fahrpersonal beschäftigen und entsprechend nicht über einen „eigenen“ Fuhrpark verfügen.

Rechtsauffassung des BLFA

Da die Frage, ob nach der VO 1071 nunmehr das Vorhalten eigener Fahrzeuge und Fahrer zwingend notwendig ist, bundesweit für Verkehrsmanagementgesellschaften von existenzieller Bedeutung ist, hat sich der Bund-Länder-Fachausschuss Straßenpersonenverkehr (BLFA) – bestehend aus dem Bundesministerium für Verkehr (BMVI) und den Landesverkehrsministerien – der Klärung dieser Frage in einer seiner Sitzungen angenommen.

Der BLFA kam dabei zu dem Ergebnis, dass „klassische“ VMGs ohne eigene Fahrzeuge und Fahrer im Bereich des ÖPNV weiterhin bestehen bleiben können und ihnen auch nach Inkrafttreten der neuen VO 1071 Genehmigungen erteilt werden dürfen. Wie von uns – u. a. gegenüber den Genehmigungsbehörden – vertreten, sollen auch entsprechend ausgerichtete vertragliche „Einwirkungsmöglichkeiten auf die operative Fahrtätigkeit des Nachunternehmers in Form von Kontroll- und Weisungsrechten sowie der Möglichkeit zur Statuierung von spezifischen Vorgaben“ zur Einhaltung der von der VO 1071 geforderten Anforderungen ausreichen. Nach Auffassung des BMVI lassen sich insbesondere dem Gesetzeszweck keine Auslegungsansätze dahin gehend entnehmen, dass das Verkehrsunternehmen eine bestimmte Anzahl Fahrer arbeitsrechtlich beschäftigen oder mindestens ein Fahrzeug tatsächlich in seinem rechtlichen Eigentum haben muss.

Fazit

Die Einschätzung des BLFA ist durchweg erfreulich und schafft Planungssicherheit für VMGs. Es ist davon auszugehen, dass die Landesbehörden sie im Rahmen der Genehmigungsverfahren berücksichtigen werden.

Praktische Konsequenz der Entscheidung des BLFA ist allerdings, dass VMGs nunmehr ein erhöhtes Augenmerk auf die Gestaltung ihrer Subunternehmerverträge legen müssen, um darin genehmigungsfeste Kontroll- und Weisungsrechte für ein „Verfügen über Fahrer und Fahrzeuge“ belastbar abzubilden. Dabei ist sicherzustellen, dass die vertraglichen Regelungen die genehmigungs- und arbeitsrechtlichen Anforderungen konfliktfrei ausbalancieren.

Über diesen Artikel

Von Sascha F. Schaefer

Senior Associate | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Sascha F. Schaefer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei EY Law und berät umfassend rechtlich und strategisch im Bereich des Öffentlichen Verkehrs / Public Transport.