Seit einigen Jahren erfreuen sich „Bike-Sharing“ bzw. „Fahrradverleihsysteme“ in Deutschland hoher Beliebtheit. Der immer breiter werdende Markt von Mikromobilitätsdienstleistern führt dabei zu einer vielfältigen Angebotspalette, aber auch zu entsprechendem Wettbewerbsdruck zwischen den Akteuren. So rücken auch vermehrt Vergabeentscheidungen kommunaler Gebietskörperschaften oder ihrer Eigengesellschaften in den Blick der unberücksichtigt gebliebenen Anbieter und werden zum Gegenstand von Gerichtsverfahren. Erst jüngst hat sich das OLG Celle zu einer weit verbreiteten Form der Auftragserteilung in diesem Bereich geäußert.
Sachverhalt
Ein Auftraggeber (kommunale Verkehrsgesellschaft) schloss zum Zwecke der Erweiterung seines Angebots von Mobilitätsdienstleistungen mit dem lokalen Betreiber eines stationslosen Fahrradverleihsystems einen sog. Systemsponsoring-Vertrag. Inhalt dieses Vertrags war nach Ansicht des Auftraggebers im Kern die (Marketing-)Kooperation, wonach seinen Abonnementkunden die Fahrräder für 30 Minuten kostenlos zur Verfügung stehen sollten und er auf den Fahrrädern exklusiv Werbung platzieren durfte. Als Gegenleistung zahlte der Auftraggeber dem Betreiber einen Geldbetrag.
Diesen Vertrag hatte der Auftraggeber geschlossen, ohne ein europaweites Vergabeverfahren durchzuführen. Vor Vertragsschluss klärte er nur in einer „Ex-ante-Transparenzbekanntmachung“ darüber auf, warum aus technischen Gründen nur dieser Betreiber in Betracht komme.
Gegen diesen wettbewerbsfreien Vertragsschluss wandte sich ein anderer Mikromobilitätsanbieter, der bereits in anderen Städten (stationäre) Fahrradverleihsysteme betreibt, und gab sein Interesse an dem Auftrag kund.
Bereits der Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer Niedersachsen hatte keinen Erfolg. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des erstinstanzlich unterlegenen kommunalen Verkehrsunternehmens wurde vom OLG Celle ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen.
Rechtliche Würdigung
Das OLG wertete den als „Systemsponsoring“ bezeichneten Vertrag nach Maßgabe des § 103 Abs. 1 GWB als einen öffentlichen, entgeltlichen Auftrag über die Beschaffung von Dienstleistungen, konkret der Bereitstellung eines Fahrradverleihsystems sowie Werbeleistungen. Trotz der Bezeichnung des Vertrags als Vereinbarung über „Sponsoring“ bezwecke er letztlich die Beschaffung von Dienstleistungen. Der Auftraggeber würde eine Vergütung dafür zahlen, dass die Fahrräder von seinen Kunden teilweise unentgeltlich genutzt werden können und er auf ihnen werben darf. Ein Recht zur Nutzung der Marke des kommunalen Verkehrsunternehmens – wie es für einen Sponsoringvertrag üblich gewesen wäre – sah der Vertrag hingegen nicht vor. Insoweit sei der Vertrag aufgrund des Verstoßes gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam.
Hinsichtlich der konkreten Verfahrensart macht das OLG deutlich, dass die Inanspruchnahme von Ausnahmetatbeständen wie z. B. der Vergabe in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 VgV einer substanziierten und zu dokumentierenden Begründung bedarf (vgl. § 8 VgV). Der Auftraggeber habe allerdings nicht aufzeigen können, dass von vornherein keine anderen Vertragspartner in Betracht gekommen wären. Auch zeige der an dem Auftrag interessierte Antragsteller, der bereits in über 50 Städten Deutschlands Leihfahrradsysteme betreibe, dass auch andere Mikromobilitätsanbieter in der Lage seien, entsprechende Systeme kurzfristig für den Auftraggeber einzurichten.
Die Unwirksamkeit des Vertrags konnte auch durch die Ex-ante-Transparenzbekanntmachung nach § 135 Abs. 3 GWB nicht abgewendet werden, da dessen strenge Anforderungen, insbesondere der gute Glaube an die legale Möglichkeit einer wettbewerbsfreien Vergabe, nicht vorlagen.