3 Minuten Lesezeit 16 November 2021
Strommast

Bundesnetzagentur legt Eigenkapitalzinssätze für die 4. Regulierungsperiode Strom und Gas fest

Autoren
Tobias Teschner

Senior Associate | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Tobias Teschner ist Rechtsanwalt bei EY Law und im Bereich Energierecht tätig.

Christoph Fabritius

Partner | Infrastructure Markets Leader Tax & Law | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Leidenschaftlicher Prozessanwalt und Berater. Begeisterter Düsseldorfer, wo er mit der Familie lebt. Liebt auch die Ruhe, beim Snowboarden, Segeln und Golfen.

3 Minuten Lesezeit 16 November 2021

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Trotz erheblicher Kritik aus der Branche kürzt die Bundesnetzagentur die Zinssätze auf 5,07 % für Neuanlagen und 3,51 % für Altanlagen.

Überblick
  • Bundesnetzagentur kürzt Eigenkapitalzinssätze auf 5,07 % für Neuanlagen und 3,51 % für Altanlagen.
  • Die Kürzung beruht vor allem auf einer drastischen Reduzierung des Basiszinssatzes.
  • Die Ermittlung der Marktrisikoprämie ist fehlerhaft.
  • Auch der Vergleich mit ausländischen Regulierungsbehörden ist fehlerhaft.
  • Die Frist zur Beschwerdeeinlegung läuft noch bis zum 10. Dezember 2021.
  • EY Law bietet Prozesskostengemeinschaft an.

Die Bundesnetzagentur hat am 12. Oktober 2021 die Eigenkapitalzinssätze für Elektrizitäts- und Gasnetzbetreiber für die 4. Regulierungsperiode festgelegt. Trotz der vielfachen Kritik aus der Netzwirtschaft, aber auch des Beirats der Bundesnetzagentur ist in den finalen Festlegungen einheitlich für Strom- und Gasnetzbetreiber ein Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen in Höhe von 5,07 % vor Körperschaftsteuer und für Altanlagen in Höhe von 3,51 % vor Körperschaftsteuer festgelegt worden. Gegenüber dem am 14. Juli 2021 zur Konsultation gestellten Festlegungsentwurf stellt dies bei Neuanlagen eine Erhöhung um 0,48 Prozentpunkte dar, die auf einem gegenüber dem Konsultationsentwurf aufgrund von „Laufzeit- und Liquiditätseffekten“ erhöhten Wagniszuschlag beruht (3,000 % auf 3,395 %).

Diese Erhöhung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die finale Festlegung nicht alle Mängel aus dem Konsultationsentwurf korrigiert. Diese Mängel betreffen nahezu ausschließlich Sachverhalte, die bislang noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung waren:

Basiszinssatz wurde drastisch gekürzt

Die Umlaufrendite wurde im Vergleich zur letzten Festlegung um über 70 % drastisch gekürzt, weil die Bundesnetzagentur weiterhin an der Vorgabe aus § 7 Abs. 4 Satz 1 NEV festhält. Die Bundesnetzagentur ignoriert dabei nicht nur Vorgaben aus § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG. Sie lässt dabei zudem unberücksichtigt, dass die Umlaufrendite nach § 7 Abs. 4 Satz 1 NEV erheblich von der Umlaufrendite abweicht, die die Bundesnetzagentur für die Ermittlung der Marktrisikoprämie verwendet.

Dieses Vorgehen war in den bisherigen Festlegungen nicht relevant, da die von der Bundesnetzagentur in den früheren Festlegungen ermittelten Umlaufrenditen nicht signifikant von den weltweiten Anleiherenditen aus der Studie „Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2021“ von Dimson, Marsh und Staunton („DMS“) über einen langfristigen Betrachtungszeitraum abwichen. So lag die von der Bundesnetzagentur ermittelte Umlaufrendite in der letzten Festlegung noch bei 2,49 %, wohingegen DMS für das weltweite Bondportfolio eine Höhe von 2,4 % über einen Zeitraum von 115 Jahren (1900 bis 2015) ermittelten. Nunmehr ergeben sich jedoch zwischen der von der Bundesnetzagentur ermittelten Umlaufrendite von 0,74 % und dem von DMS ermittelten und für die Bestimmung der Marktrisikoprämie verwendeten Anleiherendite erhebliche Differenzen, die durch die in der finalen Festlegung vorgenommene Korrektur für Laufzeit- und Liquiditätsrisiken nicht ansatzweise kompensiert werden.

Ermittlung der Marktrisikoprämie ist fehlerhaft

Davon ungeachtet ist auch die Ermittlung der Marktrisikoprämie fehlerhaft, weil die dabei verwendete Anleiherendite nicht risikolos ist und eine unzureichende Convenience-Yield-Komponente enthält. Darüber hinaus ist das (alleinige) Abstellen auf die Daten von DMS widerrechtlich, weil sich die Ergebnisse von DMS nicht replizieren lassen und daher nicht überprüfbar sind. Zudem ist die durch DMS vorgenommene Gewichtung der Welt-Marktrisikoprämie nicht plausibel und führt zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Welt-Marktrisikoprämie im Vergleich zu den einzelnen Länderindizes deutlich zu niedrig ausfällt. Insofern muss – anders als noch in der 3. Regulierungsperiode – die grundsätzliche Eignung der DMS-Daten zur Ermittlung der Marktrisikoprämie gerichtlich überprüft werden.

Die Marktrisikoprämie ist im Übrigen auch deswegen nicht sachgerecht, weil sich die Risiken für die Netzbetreiber gegenüber der Festlegung zur dritten Regulierungsperiode nicht reduziert, sondern erhöht haben. Die Eigenkapitalzinssätze müssen auch den zukünftigen Anforderungen an den Netzbetrieb Rechnung tragen. Die Bundesnetzagentur lässt aber die aus der Energiewende resultierenden spezifischen Herausforderungen der Elektrizitäts- und Gasnetzbetreibern, die Hand in Hand gehen, unberücksichtigt. Weder die Dekarbonisierung, die entweder eine Umstellung der Gasnetze auf Wasserstoff oder gar eine vorzeitige Stilllegung der Gasnetze zur Folge haben könnte, noch die daraus folgende weitere Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors und die hierdurch deutlich steigenden Strommengen und erforderlichen Kapazitäten des Stromnetzes werden berücksichtigt, obwohl die Investitionen der Netzbetreiber in der nächsten Regulierungsperiode hierdurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Bundesnetzagentur zieht sich darauf zurück, dass die aktuelle Festlegung mit der 4. Regulierungsperiode einen Zeitraum beträfe, in dem von einer Dekarbonisierung noch nicht gesprochen werden kann, gerade so als würden Netzbetreiber bei ihren Investitionsentscheidungen in der 4. Regulierungsperiode die Dekarbonisierung einfach ausblenden könnten.

Vergleich mit ausländischen Regulierungsbehörden ist fehlerhaft

Auch der Vergleich mit ausländischen Regulierungsentscheidungen ist trotz der Kritik im Konsultationsverfahren weiterhin fehlerhaft erfolgt. Im Gegensatz zur Bundesnetzagentur hat keine der betrachteten europäischen Regulierungsbehörden die Marktrisikoprämie ausschließlich auf der Basis des Weltportfolios von DMS ermittelt. Daher darf es auch nicht verwundern, dass die für Deutschland festgelegten Eigenkapitalzinssätze – trotz der erfolgten Korrekturen – am unteren Rand der Bandbreite europäischer Regulierungsentscheidungen rangieren, was erwarten lässt, dass Investoren in andere europäische Länder mit deutlich verlässlicheren Regulierungssystemen und Eigenkapitalrenditen abwandern, obwohl diese Länder anders als Deutschland nicht die weltweiten Vorreiter der Dekarbonisierung sein wollen.

Die Rechtsprechung des BGH und des BVerfG zu den bisherigen Festlegungen der Eigenkapitalzinssätze stellt für die aktuelle Festlegung schon aufgrund der vorgenannten deutlich abweichenden Sachverhalte kein Präjudiz dar.

Fazit

Im Ergebnis sind die von der Bundesnetzagentur festgelegten Eigenkapitalzinssätze unangemessen zu niedrig und verstoßen daher gegen die Regulierungsziele und Grundsätze des § 1 EnWG, die Zielsetzungen nach § 21 Abs. 1, Abs. 2 EnWG und die Abwägungskriterien aus § 7 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 NEV sowie die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG und die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.

Wir empfehlen daher, Beschwerde gegen die Festlegung einzulegen.

Die Festlegungen wurden am 27. Oktober 2021 im Amtsblatt veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung der Festlegungen im Amtsblatt begannen wichtige Fristen zu laufen. Die Festlegung gilt gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 EnWG mit dem Tag als zugestellt, an dem seit dem Tag der Bekanntmachung im Amtsblatt zwei Wochen verstrichen sind. Ab diesem Datum beginnt dann die Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen die Festlegung. Diese Frist beträgt einen Monat und endet daher spätestens am 10. Dezember 2021.

EY Law bietet hierzu eine Prozesskostengemeinschaft an. Bitte sprechen Sie uns an, wenn Sie hierzu weitere Informationen wünschen.

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