3 Minuten Lesezeit 11 März 2022
Windräder

Überblick zur Umsetzung des „Klimaschutz-Sofortprogramms“ des BMWK im „Osterpaket“

Von Christoph Fabritius

Partner | Infrastructure Markets Leader Tax & Law | Rechtsanwalt | Ernst & Young Law GmbH | Deutschland

Leidenschaftlicher Prozessanwalt und Berater. Begeisterter Düsseldorfer, wo er mit der Familie lebt. Liebt auch die Ruhe, beim Snowboarden, Segeln und Golfen.

3 Minuten Lesezeit 11 März 2022

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Deutschland droht, auch in 2022 und 2023 seine Klimaziele zu verfehlen. Ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ soll gegensteuern. Für besonders eilbedürftige Maßnahmen soll noch im April als „Osterpaket“ das Gesetzgebungsverfahren beginnen.

Überblick
  • Mitte Januar 2022 hat Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) eine „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ vorgelegt.
  • Weil schon heute absehbar ist, dass in etlichen Sektoren die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 nicht mehr erreicht werden können, kündigt das Ministerium ein „Klimaschutz-Sofortprogramm“ an.
  • Dabei sollen besonders eilbedürftige Gesetzesnovellen als „Osterpaket“ noch im April vom Kabinett beschlossen und bis zur Sommerpause (Juli 2022) vom Gesetzgeber verabschiedet werden.
  • Nachfolgend soll ein erster Blick auf den gut 250 Seiten umfassenden Referentenentwurf des „Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor“ erfolgen.
  • Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens werden wir ausgewählte Themen in ausführlichen Beträgen beleuchten. Zur Absenkung der EEG-Umlage auf Null Cent (siehe Link).

Der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien (EE), aus dem sich die meisten Maßnahmen ableiten, ist das übergeordnete Ziel des Osterpakets. Hierzu wird die gesetzliche Zielbestimmung in § 1 EEG überarbeitet. Deutschland soll bis 2035 den Strom nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugen und damit den 1,5-Grad-Klimaschutz-Pfad verfolgen. Damit zieht Deutschland mit anderen G7-Ländern wie den USA und dem Vereinigten Königreich gleich, die ebenfalls für 2035 eine nahezu treibhausgasneutrale Stromversorgung anstreben.

Anhebung des EE-Ausbauziels für 2030

Folge ist die Anhebung des EE-Ausbauziels für 2030 auf 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Für die Zwecke der Berechnung des 80-Prozent-Ziels wird der Stromverbrauch für 2030 mit 715 TWh unterstellt. Hieraus wiederum folgt, dass im Jahr 2030 insgesamt rund 572 TWh in Deutschland aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden sollen. Dies ist (natürlich) sehr ambitioniert. Konkret soll der Ausbaupfad für Windenergie onshore bis 2027 auf 10 GWh und für Photovoltaik (PV) bis 2028 auf 20 GWh Zubau jährlich gesteigert werden. Der Zubaupfad soll für Windenergie offshore bis 2030 auf 9 GWH gesteigert werden und danach jährlich 4 GWh betragen.

Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Um die notwendigen Genehmigungsverfahren in allen Rechtsbereichen zu beschleunigen, wird im EEG und im WindSeeG der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Wesentliche Hemmnisse bei Windanlagen onshore, etwa Natur- und Artenschutzrecht, Planungsrecht oder zu geringe Flächenausweisungen, sollen in einem im Sommer zu beschließenden „Windenergie-an-Land-Gesetz“ berücksichtigt werden, das Osterpaket enthält lediglich flankierende Maßnahmen.

Förderdesign – Marktprämien und Differenzverträge

Auch das zukünftige Förderdesign soll auf Marktprämien basieren. Daneben will das BMWK Alternativen für eine Weiterentwicklung prüfen, z. B. die Einführung von Differenzverträgen (sog. „Contracts for Difference“, kurz CfDs), wozu eine Verordnungsermächtigung im EEG verankert werden soll. Im Bereich von Wind Offshore sollen CfDs für bereits voruntersuchte Flächen eingeführt werden. Im Mittelpunkt des Osterpakets steht eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die den Ausbau von PV und Windenergie an Land und auf See erleichtern und beschleunigen sollen. Beispielhaft seien hier die Wiedereinführung einer „angemessenen“ Förderung für PV-Dachanlagen, die die elektrische Energie vollständig in das Netz einspeisen, oder die Ausschreibung auch von zentral voruntersuchten Flächen offshore genannt.

Neue Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften

Zur Stärkung der Akzeptanz vor Ort sollen Windenergieprojekte bis 18 MW und Solar-Freiflächenprojekte bis 6 MW von Bürgerenergiegesellschaften von den Ausschreibungen ausgenommen werden. Die Anforderungen an Bürgerenergiegesellschaften werden angepasst, um in der Vergangenheit zu beobachtende Umgehungsgestaltungen zu erschweren. Zudem soll die finanzielle Beteiligung der Kommunen gestärkt und zukünftig auch bei Windenergieanlagen an Land in der sonstigen Direktvermarktung ermöglicht werden.

Absenkung der EEG-Umlage auf null und Umgang mit der KWK-Umlage und der Offshore-Netz-Umlage

Wie bereits in der Tagespresse berichtet, soll die EEG-Umlage durch das „Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastungen durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ bereits in der zweiten Jahreshälfte auf null abgesenkt werden (Link). Dies macht die EEG-Regeln zur Eigenversorgung (§§ 61 ff.), zur bestandsgeschützten Eigenerzeugung (§§ 61e ff.) und zur besonderen Ausgleichsregelung (§§ 63 ff.) in der heutigen Form hinsichtlich der EEG-Umlage obsolet.

Zukünftig soll die Wälzung der KWK-Umlage und der Offshore-Netzumlage über ein neues „Energie-Umlagen-Gesetz“(EnUG) vereinheitlicht werden. Die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage werden nur für die Entnahme von Strom aus dem öffentlichen Netz erhoben. Im Interesse der Sektorenkopplung sollen zukünftig auch Wärmepumpen von den Umlagen befreit werden. Infolgedessen fallen künftig keine Umlagen mehr auf Eigenverbräuche und Direktbelieferungen hinter dem Netzverknüpfungspunkt an. Da die Befreiung der Industrie von der KWKG- und der Offshore-Netzumlage bis dato an die Besondere Ausgleichsregelung anknüpft, soll eine vereinfachte („entbürokratisierte“) Besondere Ausgleichsregelung ebenfalls in das EnUG überführt werden. Allerdings kann das EnUG unter Umständen auch für eine ggf. wiederauflebende EEG-Umlage herangezogen werden, etwa wenn die Bundesfinanzierung nicht mehr ausreicht (oder die beihilferechtliche Genehmigung nicht in dem Ausmaß kommt). Inwieweit dies Probleme mit Amnestieregelungen bei Scheibenpachtmodellen hervorruft, bleibt im Detail zu prüfen. Auf den ersten Blick scheinen die Amnestieregelungen auch weiter zu greifen.

Beachtenswert ist schließlich die geplante Förderung innovativer Konzepte mit wasserstoffbasierter Stromspeicherung: Eine erste Ausschreibungsrunde soll im Dezember 2023 mit 400 MW erfolgen, eine letzte Runde 2028 mit 1 GW. Gefördert werden PV- oder Windanlangen mit wasserstoffbasierter Speicherung.

Neben redaktionellen Anpassungen des KWKG (insb. im Zusammenhang mit dem neuen EnUG) stechen zwei inhaltliche Modifikationen hervor: Fördervoraussetzung für neue (nicht modernisierte) KWK-Anlagen ab 10 MWel, soll „H2-Readiness“ sein, wenn die BImSchG-Genehmigung nach dem Juni 2023 erteilt wird, „H2-Readiness“ ist als Umrüstbarkeit zu maximal 10 Prozent der Neuerrichtungskosten zu verstehen. Weiter sollen – auch für bestehende Anlagen – die förderfähigen Vollbenutzungsstunden von derzeit 5.000 schrittweise auf 2.500 im Jahr 2030 abgesenkt werden. Dies incentiviert einen flexibilisierten Kraftwerkseinsatz.

Fazit

Die Eröffnungsbilanz vom 11. Januar 2022 war ein Startschuss für die Arbeit an dem angekündigten Klimaschutz-Sofortprogramm. Man muss dem BMWK durchaus Respekt zollen für die Kürze der Zeit, in der das über 250 Seiten und 15 Artikel umfassende Maßnahmenpaket vorgelegt wurde.

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens werden wir einzelne Themen ausführlich beleuchten und bewerten.

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